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Letzte Frage im August

Herr Kummer weiss Antwort

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Lieber Herr Kummer,
es macht mich, obwohl ich nie dort war, traurig, dass das innerstädtische Lokal „Central“ bereits nach wenigen Monaten wieder schließen musste. Dort muss doch aber was gehen! Sie sind ein Mann, der viel rumkommt, also: Was sind die gastronomischen Trends der Zeit? Auf welches Pferd sollte man setzen?

Das Central, ein tragischer Fall. Das war das einzige, mir bekannte Chemnitzer Lokal mit jeder Menge zeitgenössischer Kunst an den Wänden.
Wie ich bereits wiederholt in dieser Rubrik ausgeführt habe, bin ich überzeugter Lichtesser bzw. Breathartaner. Ich gewinne die für mein Leben und mein Wohlbefinden notwendige Energie aus purem Licht. Dadurch bin ich imstande, ohne feste und flüssige Nahrung auszukommen. An mir persönlich kann die sieche Gastronomie also leider nicht genesen. Als außenstehender Beobachter kann ich aber sagen, dass die Gaststättenbranche schon immer experimentierfreudig war.

In den frühen Nachwende-Jahren gab es auf dem Kassberg eine Gartenkantine, deren Inhaber der Meinung war, die Chemnitzer haben für alle Zeiten genug von Hackepeter und Bockwurst. Straußenvögel und ihre Rieseneier, Schildkröten, Südseekrebse und Haifische bevölkerten plötzlich die Speisekarte. Ein ambitioniertes Experiment, leider zur falschen Zeit am falschen Ort. In Zeiten des allgemeinen Umbruchs auch noch die ungewohnten Aromen exotischer Speisen zu verkosten, damit waren die Gartenfreunde und die Bewohner des umliegenden Stadtteils einfach überfordert. Andere Gastronomen versuchten mit Erlebnis-Kneipen den Puls der Zeit zu treffen. Achterbahn, Pflaumenbaum, Kirschmund, waren die seltsamen Namen dieser, mitterweile zu Staub gewordenen Etablisments. Einst hochaktuelle Trends können durchaus in der Versenkung verschwinden. Wer erinnert sich beispielsweise noch an das in den 90ern so populäre „Essen vom heißen Stein“ oder was ist aus der[nbsp] hochgelobten „Molekularküche“ geworden? Zu den möglicherweise nur kurzfristig hippen Gastro-Ideen zählt sicher das in München und Berlin zu findende Katzen-Cafe. Hier kann der Besucher zum Heißgetränk ein bisschen Vierbeiner streicheln. In den Räumlichkeiten tummeln sich zutrauliche Hauskatzen, immer kuschelbereit. In Moskau gibt es das „Twin Stars Diner“, hier wird man ausschließlich von eineiigen Zwillingen bedient. Egal ob hinter der Bar, im Service oder in der Küche: doppelte Menschen bestimmen das Bild. Der Laden brummt. Eigentümer Alexei Khodorkovsky gibt allerdings zu, dass es schwer war, geeignetes Personal zu finden.

Auf welches gastronomische Pferd sollte man aber in Chemnitz setzen? Lichtessern reicht eine gepflegte Sonnenterrasse. Die immer zahlreicher werdenden Veganer und Vegetarier würden sich über einen kulinarischen Treffpunkt freuen und für Paleoaner, die Anhänger der Steinzeitkost, findet sich sicher ein muffiger Keller. Es gibt natürlich auch noch den Trend des Cocoonings. Hier geht es um das Zurückziehen in die eigenen vier Wände, das Bedürfnis zum Einigeln samt Gastro- Homeservice. Passend dazu, könnte in den Räumen des ehemaligen „Central“ eine Fertigungsstätte für „Soylent“ entstehen, ein amerikanisches Fertigpulver, das mit Wasser angerührt wird und sämtliche Mahlzeiten ersetzen soll. Endlich könnten alle das Essen hinter sich lassen, denn der Erfinder Rob Rhinehart möchte die Menschheit von dieser altmodischen Beschäftigung befreien, dieses langwierige Schmecken, anstrengende Kauen und dann auch noch Heruntergeschlucke. Die gewonnene Zeit darf zur pausenfreien Arbeit und Selbstoptimierung verwendet werden.

Vielleicht ist es aber am einfachsten, das trendfreie, seit 1738 eine langweilig gutbürgerliche Küche anbietende Ausflugslokal „Goldener Hahn“ in Altenhain abzutragen und im Chemnitzer Stadtzentrum neu aufzustellen.

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