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Letzte Frage im September

Sind die Grünen noch zu retten?

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Lieber Herr Kummer, in Niedersachsen wechselt eine grüne Landtagsabgeordnete zur CDU, in NRW scheitert die rot-grüne Koalition daran, dass die Grünen das Bildungsressort komplett verkacken und in Chemnitz wirbt eine Studentin als grüne Direktkandidatin damit, dass Arbeit nicht krank machen darf. Mal ehrlich, sind die Grünen noch zu retten?

Mal ehrlich, wenn du meinst deine Beispiele deuten auf einen baldigen Untergang der Ökos hin, hast du einen arg verengten Blickwinkel. Der Wechsel von Politikern ins gegnerische Lager ist vielleicht unschön aber nicht unüblich. Neue Heimat des ehemaligen AfD-Abgeordneten Helmerich ist seit kurzem die Thüringer Landtagsfraktion der SPD. Die dortige Abgeordnete Rosin hat wiederum die SPD verlassen und ist zur CDU-Fraktion gewechselt. Frau Steinbach ist aus der Bundestagsfraktion der CDU ausgetreten und unterstützt nun tatkräftig den AfD-Wahlkampf. Ein hessischer Landespolitiker, der FDP-Fraktionsvorsitzende und Ex-Wirtschaftsminister Rentsch verließ kürzlich überraschend den Landtag, um beruflich bei einem Bankenverband einzusteigen.

Solche Wechsel haben die unterschiedlichsten Gründe und der Bürger darf kräftig schimpfen, aber mir persönlich wäre eine politische Landschaft unheimlich, in der Parteisoldaten unerschütterlich ihrem Politbüro folgen. Möglicherweise haben die Grünen im fernen NRW bildungspolitisch versagt, in unserem schönen Sachsen hat allerdings die ewig regierende CDU das Bildungsressort mit Lehrermangel, hohem Krankenstand, überfüllten Klassen und sinkender Qualität des Unterrichts untrennbar verbunden. Die sächsische Justiz- und Innenpolitik ist ein berühmtes Jammertal, trotzdem kenne ich keinen, der meint die Christdemokraten seien unrettbar verloren.

Meine Güte, lieber Leserbriefschreiber, du scheinst ja einer der wenigen zu sein, die Wahlplakate mit heiligem Ernst betrachten. Erwachsene Menschen sollten doch längst nicht mehr von der Werbeverpackung auf den Inhalt schließen, so etwas lernt man in jedem Supermarkt. „Meine Stimme im Bundestag“, so bewirbt Herr Heinrich von der CDU sein möglicherweise unglaublich schönes Sprachorgan auf seinen Plakaten. Will man diesen Mann nun wählen? Der SPDler Müller verspricht „Einfach machen“, was und wie fragt man sich unwillkürlich. Die Grünen titeln „Arbeit darf nicht krankmachen“ und die FDP antwortet mit „Digital first, Bedenken second“. Überall sehen wir den liberalen Herrn Lindner, aufgepimpt als coolen Polithipster. Hat die FDP außer ihm noch weitere Mitglieder? Was ist, wenn Lindner erkrankt, ist dann die Partei am Ende, nicht mehr zu retten? Die einzigen, bei denen ich mir vorstellen könnte, dass die Spießer-Parolen auf den Plakaten deckungsgleich sind mit dem mageren Parteiprogramm, ist die AfD. Wahlplakate mit ihren Slogans sind rührend altmodische Erinnerungszettel - Obacht! Bald ist Wahltag. Wer sich ernsthaft mit den Parteien beschäftigen will sollte zumindest einen kurzen Blick in die Wahlprogramme werfen oder sich von seriösen Medien beraten lassen.

Über die Grünen darf man sich selbstverständlich Sorgen machen. Diese Partei muss sich derzeit neu erfinden. Sie könnte Opfer ihres eigenen Erfolgs werden, ihre zentralen Anliegen sind von großen Teilen der Bevölkerung akzeptiert und von anderen Parteien übernommen worden. Wenn die Grünen tatsächlich nicht mehr zu retten sind, können sie immerhin hoch erhobenen Hauptes in der Versenkung verschwinden. Das kann man leider nicht von allen Parteien sagen, die im Laufe der Zeit gekommen und gegangen sind.

Foto: by_Klaus-Uwe Gerhardt_pixelio.de

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