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Letzte Frage im September

Herr Kummer weiß Antwort

Veröffentlicht am:

Lieber Herr Kummer, eine Freundin hat sich kürzlich eine schicke Neubau-Eigentumswohnung auf dem Kaßberg gekauft. Nun habe ich gehört, dass Beton u.a. Tiermehl beigemischt wird. Meine Freundin ist jedoch Veganerin. Soll ich ihr die Tiermehl-Geschichte erzählen?

Vielen Dank für diese ungewöhnliche Frage.
Ist es auf dem Kassberg neuerdings üblich, seine Eigentumswohnung aufzuessen? Auch wenn manche Fassade den Eindruck erweckt, so besteht das beliebte Wohnviertel doch nicht aus Pfefferkuchenhäusern, an denen man herum knabbern kann. Niemand muss also unbedingt erfahren, welche Inhaltsstoffe in seinen Wohnungswänden stecken.[nbsp] Am besten ist sicher, du spielst mit deiner Freundin eine Runde Hacky-Sack oder spannst einen schönen Slackline-Gurt am Gerhart- Hauptmann-Platz, anstatt ihr mit deinen Tiermehlenthüllungen die teure Eigentumswohnung madig zu machen. Du kannst ohnehin nur die Daumen drücken, dass deine Freundin nicht allzu viel über die Baugepflogenheiten auf dem Kassberg erfährt. Absolut üblich, aber eher diskret gehandhabt, ist zum Beispiel das Erbringen eines Bauopfers. Dieses wird vor oder während der Errichtung von Bauwerken dargebracht und soll der Unternehmung Glück bringen, beziehungsweise die örtlichen Hausgeister besänftigen oder sie zum Schutz des betreffenden Gebäudes veranlassen.

Die Zeitungen berichten gern über Grundsteinlegungen, anlässlich derer Urkunden und Münzen, begleitet von feierlichen Hammerschlägen, ins Fundament eingelassen werden. Hier gibt es Hüpfburgen und Häppchen, es spielt die Blasmusik und Reden werden gehalten. Ein Tabu in der Berichterstattung ist und war allerdings das auf dem Kassberg noch bis in die 1990er Jahre weit verbreitete Einmauern von Menschen, als Abwehrzauber beim Errichten eines Gebäudes. Die grausame Unsitte des Menschenopfers konnte von aufgeklärten Bauherren und Architekten zwar in den letzten Jahren zurückgedrängt werden,[nbsp] allerdings ist das Einmauern von etwas Organischem immer noch sehr beliebt. Ein Körbchen mit Eiern im Fundament zu deponieren ist dabei die harmloseste Variante. Eingemauerte Hunde und Katzen finden sich auch in unserer Zeit unter fast allen Neubauten im Chemnitzer Westen. Knallharte Veganer sollten sich, um bezüglich des Tierwohls sicherzugehen, eher ein Haus aus Legosteinen zulegen, denn schon bei der Herstellung von Zement und Beton, den Universalbaustoffen beim Hausbau, werden tierische Produkte beigemischt. In den Heißöfen der Zementindustrie wird Tiermehl bereits seit langem als Brennstoff eingesetzt. Einige Hersteller bieten ein Betonprodukt an, in dem tierische Rückstände zusammen mit Altöl und einem Katalysator[nbsp] verarbeitet werden. Eine Firma mit Sitz in Luxemburg hat einen neuartigen Baustoff auf Tiermehlbasis entwickelt. Der so genannte "béton phénolique" ist nach Herstellerangaben nicht nur leicht verarbeitbar, sondern auch in der Herstellung sehr preiswert.

Diese Information lässt die knausrigen Bauherren aufhorchen. Das Herstellungsverfahren beruht auf der Verbindung einer Formaldehydharzmischung mit einem Erdölderivat, das aus dem Kosmetikbereich stammt. Die Stützstruktur lässt sich mit organischen Materialien wie Tiermehl auffüllen. Ich würde verkürzt sagen, die Zukunft gehört, auch auf dem Kassberg, dem Florena-Knochenhaus.

Foto: by_Rainer Sturm_pixelio.de

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