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Letzte Frage im April

Herr Kummer weiß Bescheid

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Im Süden trinkt man gerne Weißbier und im Norden Alsterwasser (Radler). Was ist das typische Chemnitzer Szene-Getränk? Club-Mate oder gar Pfeffi?

Die Zeiten, in denen man die verschiedenen Regionen unseres Landes deutlich anhand örtlicher Getränkevorlieben unterscheiden konnte, sind vorbei. Globale Getränkeanbieter sorgen schon seit vielen Jahren für ein uniformes Angebot in West und Ost. Hamburger Seemänner, die Küstennebel trinken und bayrische Weißbiertrinker in Lederhosen sind überwiegend nur noch nostalgische Postkartenmotive. Doch nun zu deiner eigentlichen Frage:
Chemnitzer Szene, was soll das sein? Meinst du, lieber Leserbriefschreiber, die Sternburg-Trinker aus unseren öffentlichen Grünanlagen? Meinst du die labilen Jugendlichen, die in ihren riesigen Rucksäcken Drei-Liter-Flaschen mit obskuren Alkohol-Zuckerwasser-Mischungen durch die Gegend tragen? Oder meinst du die entwurzelten Hipster- Bürger, die in ihrer verzweifelten Suche nach stylischen Nieschenprodukten Goji-Beeren-, Matcha-, Mate-, Mandelmilch- und Kokoswasserprodukte konsumieren?

Diese Leute trinken ihr Craft-Beer aus Einweckgläsern und lassen sich gern von findigen Geschäftemachern abzocken, die in monatlichen Abständen neue, koffeinhaltige Cola-Getränke erfinden. In heimischen Gastronomien finden sich exotische Biere aus Hamburg oder dem Schwarzwald. Der schlichte Durstlöscher Limonade ist jetzt mindestens Bionade. Neuerdings werden in Garagen keine Computer mehr erfunden, sondern es wird an neuen Brausemischungen getüftelt. Sogar Popstar Nena hat gemeinsam mit einer Hamburger Parfümeurin eine eigene Limonade auf den Markt gebracht. Inhaltsstoffe sind kalorienfreies Orangenblütenwasser, ätherische Öle, Fruchtsaft und natürliche Kohlensäure. Prolo-Pfeffi hat sich in Berliner Luft verwandelt und in Klassikern wie Gin Tonic finden sich plötzlich Gurkenscheiben.

Egal in welcher großstädtischen Bar Deutschlands man sich gerade befindet, das Getränkeangebot ist ähnlich. Diese Beliebigkeit ärgert viele Genuss-Trinker, und so entwickelt sich allmählich eine Gegenbewegung. Ohnehin stehen authentische Wurzeln und das Besinnen auf regionale Eigenarten zur Zeit wieder hoch im Kurs. Auch wir sollten uns wieder auf gute alte Trink-Traditionen der Chemnitzer Region besinnen. Das „Schnäpseln“ am Busbahnhof, in der Arbeitsbrigade bei Betriebsfeiern, in der Eckkneipe nach der Schicht oder bei Hausgemeinschaftsabenden war stets ein wichtiger Bestandteil des Alltags in unserer Stadt. Einer der größten regionalen Arbeitgeber, die sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft Wismut, versorgte ihre Beschäftigten mit monatlich bis zu zehn Flaschen Trinkbranntwein zum Spottpreis von 1,12 Mark.

Dieser Schnaps, im Volksmund „Kumpeltod“ genannt, wurde pur genossen, zum Reinigen und Desinfizieren im Haushalt benutzt und als Grundstoff für selbstangesetzte Eierliköre und Rumtöpfe eingesetzt. Angeblich wirkte dieser Alkohol auch als Medizin gegen Staublunge und Uran-Strahlung. Sympathisch an diesem Getränk war auch, dass es keinen Eigennamen wie z.B. Bergmannsgruß oder Gebirgsbrise hatte. Es war schlicht und einfach Trinkbrantwein. Es wird höchste Zeit, dass dieser bodenständige Schnaps wieder Einzug in die örtliche Gastronomie hält.

Foto:[nbsp]Günter Havlena [nbsp]/ pixelio.de

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