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Letzte Frage im April

Herr Kummer gibt Antwort

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Lieber Herr Kummer, wenn ich mich in der Chemnitzer Clublandschaft umschaue, frage ich mich oft, warum es hier keine wirklich guten Anlagen gibt. Oft denke ich an[nbsp] die jamaikanische Soundsystemkultur mit ihren riesigen Boxentürmen,[nbsp] Verstärkern und zusammengeschraubten Effektgeräten - wie man es heute[nbsp] z.B. noch in Frankreich oder England vorfinden kann. Das fehlt mir hier und oft gehe ich mit einem Schmerz im Ohr nach Hause. Gibt es Aussichten auf Besserung oder sind wir in dieser Stadt dazu verdammt, gute Musik auf viel zu kleinen und falsch eingestellten Anlagen zu hören?

Über den richtigen Sound, die optimale Lautstärke bei Musikveranstaltungen wurde schon immer heftig diskutiert. Die erwähnten jamaikanischen Boxentürme sind natürlich optische Highlights, ob sie sensiblen Ohren schmeicheln können, wage ich allerdings zu bezweifeln. Bei den frühen Soundclashes ging es zunächst darum, dass oft auf einer Straße gegenüber stehende gegnerische Soundsystem mit gewaltiger Lautstärke niederzuschmettern. Der Schmerz im Ohr des Hörers bewies, dass man einen leistungsfähigen Soundturm hat. Manchen erinnern diese Ungetüme auch an alte DDR-Musikanlagen, die aus purer Beschaffungsnot heraus ebenfalls aus verschiedensten, oft auch selbstgebauten Boxen, Verstärkern und Effektgeräten bestanden. Der Klang war, wie sich ältere Mitbürger erinnern, meist grenzwertig.

Überhaupt spielten in früheren Zeiten Soundüberlegungen bei Partys und Livekonzerten meist keine große Rolle. Als in den 60er Jahren im Fillmore (San Francisco) die ersten größeren Rockkonzerte aufgeführt wurden, gab es noch erbitterte Streitereien, ob eine gelungene Lichtshow für den Abend nicht viel wichtiger wäre, als ein guter Sound. Als die Rolling Stones 1965 in der Münsterland-Halle ihr erstes Deutschland-Konzert gaben, waren die Veranstalter völlig überfordert. Die städtischen Hallen wurden bis dahin ausschließlich von Schlagersängern und Tanzorchestern bespielt. Es existierten schlicht keine Verstärkersysteme oder Mischpulte. Im Münsterland-Konzertraum hing eine einzige Box von der Decke. Mick Jagger schrie um sein Leben. Charlie Watts versuchte allein durch Muskelkraft den Schlagzeugrhythmus in dem riesigen Saal zu verbreiten. Die für heutige Ansprüche lächerlichen Gitarrenverstärker Keith Richards und Brian Jones`, versuchten vergeblich das Kreischen der Fans zu übertönen.Trotz der miesen Tonqualität waren die Gäste verzückt. Wer denkt, so ein Desinteresse am Klang war nur in der Steinzeit der Jugendkultur möglich, befindet sich auf dem Holzweg. Man muss heutzutage nur Teenager beobachten, wie sie vor dem Computer sitzen und sich mit Zwergenboxen beschallen lassen oder sich begeistert die Musik ihrer Idole in blecherner Qualität auf ihren Handys anhören.

Um so erfreulicher ist, dass du, lieber Leserbriefschreiber oder -schreiberin, dich kritisch mit dem Thema auseinandersetzt. Vermutlich arbeiten allerdings die meisten Chemnitzer Musikveranstalter ohnehin beständig an der Optimierung ihrer Musikanlage. Ein wenig Geduld ist allerdings erforderlich, denn leider ist davon auszugehen, dass keiner von ihnen über die finanziellen Mittel eines Berliner Berghain Clubs verfügt, dessen teures, exquisites Soundsystem weltweit gerühmt wird. Allerdings nützt auch die beste Anlage wenig, wenn die Djs massiv MP3 verwenden, ein Übersteuern am Mixer ignorieren und überhaupt soundtechnisch wenig einfühlsam sind. Vielleicht könnte das 371 Magazin ja im nächsten Jahrespoll die Rubrik „Bester Club/DJ Sound“ einführen, um einen Wettbewerb auf dieser Ebene zu fördern.

Das Lärm durchaus als Waffe eingesetzt werden kann, war übrigens schon damals den Veranstaltern des bereits erwähnten Stones Konzerts in Münster bewusst. Für den Fall, dass es zu einer Bühnenerstürmung kommen sollte, stand hinter der Bühne ein Motorrad-Monstrum mit abgeschnittenem Auspuff und zwei Meter hohem Ofenrohr bereit. Mit dieser frühen Schallkanone sollten die anstürmenden Fans notfalls wieder vom Podium vertrieben werden.

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