⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.

Das Web-App-Mag
Immer auf Tasche

Magazin

Letzte Frage: Dezember 2011

Herr Kummer gibt Antwort

Veröffentlicht am:

Lieber Herr Kummer, kürzlich bin ich mitten in der Chemnitzer Innenstadt auf einen irgendwie halbfertig wirkenden Brunnen gestoßen. Mir erschien er wie ein Denkmal ohne Denkmal. Offensichtlich steht er erst seit kurzem dort, aber warum? Ist das vielleicht Kunst?[nbsp]

[nbsp]Vielen Dank für diese wichtige Frage, die sicher viele Chemnitzer, aber auch zahlreiche Besucher der Stadt umtreibt. Tatsächlich handelt es sich hierbei um den erstmals 1893 auf dem Chemnitzer Roßmarkt enthüllten Saxoniabrunnen. Der Brunnen bestand aus einem Sockel mit Wasserbecken und dem hohen Postament mit einer weiblichen Figur, der für den Schutz von Industrie und Handel zuständigen Saxonia aus Bronze. Seitlich angebrachte Plastiken stellten noch einen Schmied und eine Spinnerin dar, als Symbole für Textilindustrie und Maschinenbau. Als originelles, großes Kunstwerk ging dieser Brunnen nicht in die Stadtgeschichte ein. 1941 wurden die Figuren zu Kriegszwecken eingeschmolzen und die Steinelemente auf dem städtischen Bauhof eingelagert. Sechzig Jahre später wünschte sich die Stadt einen Brunnen in der neuen City und man erinnerte sich an die Reste des Saxoniabrunnens.

Zunächst gab es für die Gestaltung des Brunnenstumpfs im Jahr 2002 einen künstlerischen Wettbewerb. Der Siegerentwurf, ein Tassenbrunnen, wurde jedoch nie umgesetzt, da die lokale Presse und unsere Stadtverordneten Angst vor einem vielleicht zu modernen Wasserspiel bekamen. Nach diesen peinlichen Vorgängen ruhten die Brunnenteile noch ein paar Jahre auf dem Bauhof, bis Bauinvestor Kellnberger sich erbarmte, die Brunnenteile erwarb und restaurieren ließ. 2011 wurde der Brunnenstumpf feierlich auf dem Johannisplatz enthüllt. Bei den Überlegungen, wie es nun mit dem halbfertigen Wasserspiel weitergehen könnte, lohnt ein Blick auf die englische Hauptstadt.

Den Fourth Plinth auf dem Trafalgar Square bestücken zu dürfen, zählt zu den großen Ehrungen, die einem Künstler zuteil werden können. Jedes Jahr erfreuen sich die Londoner und ihre Gäste an einem neuen Kunstwerk. Das gute Ideen für ihre Durchsetzung viel Zeit benötigen kann man aber auch an diesem Beispiel erkennen. Seit seiner Erbauung im Jahre 1841 ist das Monument verwaist, weil das Geld für die ursprünglich geplante Reiterstatue fehlte. Erst seit 1998 wird die Fläche für moderne Kunst genutzt. Jetzt können wir uns einige Jahrzehnte zurücklehnen und gemütlich abwarten. Das Kultur-Büro von Chemnitz oder gar die immerwährende Museumschefin Mössinger dürfen in aller Ruhe überlegen, vielleicht sogar die Londoner Idee aufgreifen, und den Brunnensockel auf dem Johannisplatz in einen interessanten Ort für Kunst verwandeln. Zum Spielverderber könnte allerdings der Saxoniabrunnen e.V.Chemnitz werden. Dieser Verein sammelt Geld, um die alten, kitschigen Figuren wieder nachbauen zu lassen. Wenn das gelingt, dürfen wir uns vielleicht in Zukunft auch auf einen Neubau des alten Kaiser- Wilhelm-Denkmals auf dem Marktplatz freuen. Dann ist es sicher besser, dass unser Tourismusamt das Wasser am Brunnen abstellt und den Stumpf einfach als weltgrößten Karl-Marx-Kerzenständer vermarktet.

Zurück