⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.

Das Web-App-Mag
Immer auf Tasche

Magazin

Letzte Frage: Februar 2011

Herr Kummer gibt Antwort

Veröffentlicht am:

Lieber Herr Kummer, als gut informierter Chemnitzer haben Sie sicher auch schon von den zahlreichen neuen Möglichkeiten für kreative und urbane Großstädter gehört. An der Leipziger Straße eröffnet demnächst das KOMPOTT, an der Müllerstrasse entsteht ein gigantischer Komplex für Probe- und Vereinsräume, ein Chemnitzer Unternehmer spendiert ein ganzes Haus an der Augustusburger Straße und nun soll es sogar im Brühl 24 losgehen. Ich habe ehrlich gesagt Angst, dass das Häuflein hiesiger Kulturschaffender all diese neuen Räume mit Leben erfüllen kann. Brauchen wir jetzt nicht schnell ein paar Kunst-Inder, sprich einen gesteuerten Zuzug hochqualifizierter Kultur-Migranten?

Vielen Dank für diese Frage. Auf zuzugswillige „Kunst-Inder“ können und sollten wir uns aber nicht verlassen. Als im Jahre 2000 im Rahmen einer Green-Card-Initiative des damaligen Bundeskanzlers Schröder 30000 indische Computerexperten angeworben werden sollten, stellte sich heraus, dass diese undankbaren Schnösel gar nicht unbedingt nach Deutschland kommen wollten. Es ist realistischer, von einer Binnenwanderung innerhalb der Bundesrepublik auszugehen. Schließlich kann von den von Ihnen beschriebenen Möglichkeiten und Perspektiven in Hamburg, Stuttgart oder München nur geträumt werden. Glückliches Chemnitz, raunt die Szene im ganzen Land.

Wieso eigentlich haben Sie Angst, dass hiesige Kulturschaffende die neuen Räume mit Leben füllen können? Trauen Sie etwa den Einheimischen nichts zu? Gönnen Sie unseren Künstlern doch einfach die breite Auswahl an günstigen Immobilien und Entfaltungsmöglichkeiten. Kreative mögen auch verlässliche Rahmenbedingungen. Die Verlängerung der Verlängerung der Verlängerung der Dienstzeit von Kunstsammlungs-Generaldirektorin Mössinger wird europaweit als souveräne Kontinuität in der Führung kultureller Leuchttürme wahrgenommen. In unserer Stadt schätzt man was man hat. Selbst der als „ewiger Generalsekretär“ bekannte Sowjetführer Leonid Breschnew war im Vergleich nur lächerliche 18 Jahre im Amt.

Wir müssen jetzt natürlich aufpassen, dass die Kunde von den exquisiten Arbeits- und Lebensbedingungen in Chemnitz, nicht zu einem ungezügelten Ansturm auswärtiger Kunstschaffender führt. Zur Verdeutlichung der Gefahr hier zwei Schockbeispiele: Der Leipziger Michael Fischer–Art hat, auf Einladung der GGG, bereits im Heckertgebiet ein monströses Wandbild gefertigt. Der Künstler, der bereits in der Messestadt mit seinen großformatigen Fassadenmalereien eine Spur der Verwüstung hinterlassen hat, könnte auf die Idee kommen sich in Chemnitz niederzulassen. Oder wollen wir, dass die staubige Dresdner Strebercombo „Polarkreis 18“ in Zukunft ihr Hauptquartier auf dem Brühl aufschlägt?

Andererseits braucht auch Chemnitz einen Zuzug von Kulturmigranten. Eine geordnete Zuwanderung kann unsere Stadt nur bereichern. Mietnomaden, Kulturschmarotzer und ewige Projektentwickler müssen aber ohne Pardon in ihre Herkunftsorte zurück verwiesen werden. Die nötige Steuerung sollte Frau Lüth übernehmen. Wer einmal unsere Kulturbürgermeisterin bei einer Ausstellungseröffnung reden hörte, weiß wie man mit einer deftig provinziellen Ansprache notfalls unliebsame ortsfremde Kunstschaffende abschrecken könnte.

Erschienen im 371 Stadtmagazin Heft 02/11
Foto: photocase.de/visuellegestalten

Zurück