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Letzte Frage im Dezember

Herr Kummer weiß Antwort

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Ich lebe seit 2015 im selbsternannten "Nazikiez" Sonnenberg. Dabei brennt mir seither folgende Frage unter den Nägeln: Bei all den NS- und Antifagraffitis, den gesprayten Aufrufen zu gleichgeschlechtlicher Liebe und der Hundepisse an meinem Kotflügel, fehlen mir Zeichen, die MICH in meiner direkten Umwelt repräsentieren. Kurz: Wie kann ich markieren?

Deiner Frage entnehme ich, du willst auch dringend markieren, um damit ebenfalls zu repräsentieren. Ich empfehle erst einmal Gelassenheit. Schau dich um, immerhin lebst du in einem Stadtteil, der sich gerade in einer Selbstfindungsphase befindet. Der Sonnenberg wurde z.B. von einer zugezogenen Gruppe veganer, Club Mate trinkender und Adolf Hitler verherrlichender Jungnazionalsozialisten als bevorzugter Wohnort entdeckt. Um diese jutebeutelschwingende und möglicherweise transsexuelle Gruppierung, die eine Zeitlang den Stadtteil als Nazikiez etablieren wollte, ist es aber schon eine Weile mucksmäuschenstill geworden. Der Plan von der national befreiten Zone scheint beerdigt.

Eigentlich war der Sonnenberg nach seiner Gründung lange Zeit einfach ein Proletarierstadtteil. Kulturfreunde wollen ihn im Jahr 2018, zum Stadtjubiläum, als Hotspot der käuflichen Liebe inszenieren. Er ist an einigen Ecken ein Hipster-Biotop und der Antifa e.V. soll hier auch ein Großraumbüro unterhalten. Vielleicht wissen wir in ein paar Jahren, in was für eine Sorte Kiez sich dieser Stadtteil endgültig verwandelt hat. Du, lieber Leserbriefschreiber, weißt sicher besser, wer oder was du bist. Du wünschst dir nur ein bisschen Bestätigung und Anerkennung. Zunächst könntest Du deinem Stadtteil bei seinem schwierigen Entwicklungsweg helfen.

Dazu muss man keinesfalls an Kotflügel pinkeln oder Aufrufe sprayen. Es gibt so viele schöne Betätigungsmöglichkeiten, um dich deiner Umwelt vorbildlich zu präsentieren. Wie wäre es mit einem Freizeitjob als Stadtteilpolizist oder Schülerlotse, als Grünanlagenpfleger oder Bürgersteigreiniger? Du könntest, ähnlich wie unser berühmter Türmer, Führungen über den Sonnenberg anbieten oder eine Stadtteilchronik verfassen. Markiere dich durch gute Taten! Ich bin mir sicher, nachdem sie ihre[nbsp] anfängliche Scheu abgelegt haben, werden dir die Menschen applaudieren und auf die Schultern klopfen.

Nutze die Kraft des Internets! Unter dem Hashtag „ich auch“ könntest du Gleichgesinnte versammeln, Menschen, die sich wie du mit positiven Energien in ihrer Nachbarschaft verewigen möchten. Eine machtvolle Bewegung wird entstehen, die allmählich deinen Stadtteil in einen friedvollen und aufstrebenden Ort verwandelt. Dieses große soziale Netzwerk könnte später dann ganz Deutschland, Europa und vielleicht den gesamten Globus verbessern. Auch dein Sonnenberg hat das Potenzial zu einem Ort zu werden, an dem die Sonne scheinbar niemals untergeht.

Zunächst wartet eine Menge Arbeit auf dich, aber die Belohnung dürfte dich für alle Mühe entschädigen. Wenn du später in deinen knappen Musestunden zufrieden durch dein Wohngebiet bummelst, wirst du überall Zeichen finden, die dich repräsentieren. Gepflegte Balkonpflanzen, angeleinte Hunde, frisch sanierte Gründerzeithäuser und natürlich zufriedene, dich freundlich grüßende Bürger.

Foto: by_Thomas Max Müller_pixelio.de

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