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Letzte Frage im Oktober

Herr Kummer weiß Antwort

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Lieber Herr Kummer, nach meiner Rückkehr aus Nordirland - wo ein Busfahrer auch mal für den Gang zum Bankautomaten hält - wurde ich mir der unvergleichlichen Kühle des Chemnitzer Nahverkehr-Personals wieder gewahr. Warum haben wir in unserer Stadt die weltunfreundlichsten Busfahrer?

Nordirland?
Nachdem dort ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg gewütet hat, haben sich die Menschen vielleicht vorgenommen, generell etwas netter zueinander zu sein. Wenn dann alte Konflikte doch wieder auflodern, wie z.B. im Jahre 2013, als anlässlich der Union Jack Krawalle in Belfast ein paar Busse angezündet wurden, achten die gegnerischen Parteien penibel darauf, keinen, der im Alltag so freundlichen Fahrer zu verletzen.

In Deutschland tragen Katholiken und Protestanten ihre Streitereien friedlich aus, dafür herrscht mitunter Krieg zwischen Beförderungspersonal und Fahrgästen. Die Berliner Verkehrsbetriebe erkannten das bereits in den 90er Jahren und führten für ihre Angestellten sogenannte „Lächelkurse“ ein. Zum Programm dieser Schulung gehörte, neben Rollenspielen unter psychologischer Anleitung und einem wohlklingenden Thesenpapier ("Kundendienst ist immer eine menschliche Begegnung"), ein ausführliches Freundlichkeitstraining. Ist nun der Wanderpokal „Garstigster Busfahrer“ von Berlin nach Chemnitz gewechselt? Schlechter Service, miese Anbindung, übelgelaunte Angestellte, das öffentliche Beförderungswesen hat hier keinen besonders guten Ruf. Vielleicht steckt hinter alldem ein perfider Plan der Autolobby. Im Unterschied zu allen anderen europäischen Großstädten, die versuchen den Individualverkehr aus den Citys zu drängen, geht Chemnitz einen deutlich anderen Weg. Die Stadt der Moderne, das Zukunftslabor für eine autogerechte Metropole. Und deshalb werden eigentlich freundliche Busfahrer angewiesen, mufflig zu erscheinen, um Fahrgäste abzuschrecken. Die preisgekrönte Idee eines Fahrradparkhauses am Getreidemarkt wurde still und leise beerdigt. Moderne Fernbahnverbindungen wurden gekappt und charmante, alte Eisenbahnbrücken werden abgerissen, um auch die Erinnerungen an glorreiche Zeiten der Massentransporte zu tilgen.

Für das Auto läuft dagegen alles rund. Fußgängerboulevards sollen wieder für den Verkehr geöffnet werden, in bester Lage wurden jede Menge neue Parkhäuser errichtet. Gepflegte, mindestens vierspurige Straßen, kostenloses Parken an Wochenenden und mächtige Verkehrsleittafeln - hier wird Automobilität gelebt. Manchmal stören allerdings notorische Querköpfe. Wagte es doch tatsächlich die Stadtratsfraktion Vosi/ Piraten zu empfehlen, das Modell einer Nahverkehrs-Flatrate zu prüfen. Eine Gebühr von ca. 20 € im Monat sollte es Interessierten ermöglichen, unkompliziert den Nahverkehr zu nutzen. Eine interessante Idee, für eine Autostadt aber leider ungeeignet. Solche Konzepte braucht man hier nicht. Dieser Meinung scheint auch die lokale Tagespresse zu sein. Die Freie Presse begab sich kürzlich auf Boulevardniveau und recycelte das Twitter Outing eines notorischen Chemnitzer Schwarzfahrers. Diese an sich völlig belanglose Information hätte die verlockende Chance geboten, einmal tiefergehend über die hiesige Nahverkehrskultur, Tarife und Flatratemöglichkeiten zu berichten. Da die Freie Presse aber der Entwicklung von Chemnitz hin zur autogerechten Stadt nicht im Wege stehen möchte, verhielt sie sich verantwortungsbewusst und vermied eine unnötige Diskussion.

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