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Letzte Frage: Mai

Herr Kummer gibt Antwort

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Lieber Herr Kummer, ich habe mal eine sehr lebensnahe Frage. Neulich musste ich feststellen, dass eine ganze Reihe von E-Mails, die ich versandt hatte, nicht beim Empfänger angekommen waren bzw. auch an mich adressierte Mails nicht wie gewünscht eintrafen. Ich weiß nun, dass dies an einem überlasteten Mailsserver lag, aber was mich viel mehr interessiert: Wo landen denn all die unzugestellten Nachrichten? Ich denke, dass mich dieses Phänomen nicht allein betrifft und daher Tausende, ja Millionen E-Mails irgendwo herrenlos herumliegen müssen. Aber wo?

Vielen Dank für diese, viele Menschen betreffende Frage. Das Phänomen „verschwundene Post“ ist natürlich auch aus der alten, analogen Welt überliefert. 15 Jahre lang stahl zum Beispiel eine Postbotin aus Gießen Briefe, die sie hätte zustellen sollen. Die geständige Frau war nach Angaben der örtlichen Staatsanwaltschaft offenbar auf Wertsachen und Geldscheine aus, die sie in den Briefsendungen vermutete. Die Höhe des dabei angerichteten Schadens ist unbekannt, wie ein Sprecher der Behörde sagte. Gefunden wurden die Briefe im August 2007 in der Wohnung der Beschuldigten und in ihrem Spind auf der Arbeitsstelle. Circa 21 000 Briefsendungen soll die nun bei der Post entlassene Frau in den vergangenen Jahren an sich genommen haben. Im Jahr 2006 hatte eine Briefzustellerin aus Erlangen 1900 Postsendungen nicht ausgetragen, sondern in ihrer Wohnung gestapelt. Ein Bekannter der Frau entdeckte die Briefe in ihrer Wohnung, als er ihr Haustier versorgte und verständigte die Behörden.

Die 26-jährige gab in ihrer Vernehmung laut Polizei an, dass sie mit dem Austragen körperlich überfordert gewesen sei. Wenn in der digitalen Welt versendete Texte verschwinden, hat das natürlich andere Gründe. Haben Sie, lieber Leserbriefschreiber, sich schon einmal überlegt, woher all die Wörter kommen, die von Textergänzungsprogrammen in Computern und Handys angeboten werden? Bevor der Nutzer ein Wort zu Ende schreiben kann werden schon verschiedene Varianten angeboten. Eine Servicefunktion, die selbstverständlich und ohne großes Nachdenken genutzt wird. Es handelt sich hier aber um einen Markt, der gigantisch ist und ständig nach frischen Wörtern giert. Diese finden sich nun in den Mails, die ständig kreuz und quer um den Globus geschickt werden. Die, wegen angeblicher Serverüberlastung, nicht zugestellte Post liegt also nicht irgendwo herrenlos herum, sondern wird von gewissenlosen Geschäftemachern aus den Mailservern gefischt und an die Computer- und Handyindustrie gewinnbringend verschachert.

Es gibt selbstverständlich Wörter aus der elektronischen Post, die schlicht unverkäuflich sind. Obszönitäten, Eigenkreationen und Rechtschreibfehler werden aussortiert und in dem abgelegenen, isländischen Vulkankrater Eyjafjallajökull in riesigen, rostigen Serverschränken zwischengelagert. Aus Platzgründen wird in jährlichen Abständen im Krater ein gewaltiges Feuer entfacht und eine gigantische, kilometerhohe Aschewolke, die im Extremfall sogar den internationalen Flugverkehr beeinträchtigen kann, kündet weithin von der Vernichtung wertloser Buchstaben.

Ähnliche Artikel im 371 Stadtmagazin: Letzte Frage April 2010

erschienen im Heft 05/2010
Foto: Rina H. / photocase.com

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