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Letzte Frage: November 2011

Herr Kummer gibt Antwort

Veröffentlicht am:

Lieber Herr Kummer, ich möchte mich beruflich neu orientieren. Der Grund: Bei einem Besuch in der Hauptstadt fielen mir die riesigen Büropaläste auf, die, so meine ortskundige Begleitung, von Lobby-Verbänden angemietet sind. Ich denke nun, dass die Lobbyisten-Branche Zukunft hat und auch für mich geeignet wäre. Allerdings bietet die Arbeitsagentur keine Fortbildung zum Lobbyisten an. Wissen Sie hier Näheres? Was muss man können? Und vor allem: Für was könnte ich lobbyieren?

Die erfolgreiche Berufsberatung für die freigesetzten Cinestar Luxor Beschäftigten, hier in dieser Rubrik, hat sich offensichtlich herumgesprochen. Schnell flatterte die nächste Frage bezüglich beruflicher Neuorientierung auf meinen Schreibtisch.

Was macht eigentlich ein Lobbyist? Er vertritt bestimmte Interessen in Politik und Gesellschaft, und versucht die öffentliche Meinung und die Massenmedien im Sinne seiner Auftraggeber zu beeinflussen. Wenn das gut funktioniert, lohnt sich schon mal der Bau eines großen Glaspalastes in der Nähe der Schaltzentralen der Macht. Großzügige Zahler für Lobbyisten sind Pharma- und Rüstungsindustrie sowie die Energiewirtschaft. Nachdem an die Öffentlichkeit gelangte, dass gierige Vertreter des Berufsstandes, wie z.B. Karlheinz Schreiber, der für die Vermittlung und Durchsetzung von Rüstungsdeals 33 Millionen Euro Provision erhielt, etwas zu eng mit der Regierung verbandelt waren, bekam die Branche ein negatives Image. Schreiber, der das schöne Geld zum Teil an Politiker und Wirtschaftsvertreter weiterleitete, zum Teil für sich behielt, sitzt nun im Gefängnis. Das gehört zum lobbyistischen Berufsrisiko. Nach solchen unappetitlichen Enthüllungen nennen sich Lobbyisten heutzutage lieber Politikberater, politische Kommunikatoren oder Experten für Public Affairs. In Chemnitz kann der Interessierte dieses Handwerk selbstverständlich auch erlernen. Nicht bei der Arbeitsagentur, wohl aber beim Politologen Professor Jesse an der hiesigen Universität. Ein Studium der Materie kann nicht schaden, denn ungeschickter Lobbyismus kann durchaus gründlich daneben gehen. Chemnitzer Bürger konnten dies kürzlich beobachten, als der Stadtrat in öffentlicher Sitzung über den Stadionneubau für unseren Fußballclub entscheiden musste. Die Stadträte Eberhard Langer und Wolfgang Meyer, beide im Aufsichtsrat des CFC, warben heftig für die teure Baumaßname. Um auch jedem Zuschauer klar und deutlich zu zeigen, dass man hier als Fußball-Lobbyist und nicht als unparteiischer Bürgervertreter unterwegs ist, zog sich Meyer bei der Abstimmung ein CFC-Fan-Shirt über.

Diese treudoofe Interessenvertretung könnte nun dafür sorgen, dass der Stadion-Bau-Beschluss für nichtig erklärt werden muss. Peinlich ist aber auch der Hauptstädter Sascha Lobo, der mit seiner, vor 30 Jahren provokanten, roten Irokesenfrisur, der Politik sich und die New Economy nahe bringen will. Wirksame Interessenvertretung sollte schon etwas unauffälliger daher kommen. Der Finanzbürgermeister von Chemnitz, Detlef Nonnen rasierte sich seinen auffälligen Schnautzer ab und wechselte in die Wirtschaft. Für das Unternehmen Eins Energie werden seine politischen Verbindungen sicher dienlich sein.

Nützlich für Chemnitz wäre natürlich ein riesiger Lobbyturm in der Nähe des Dresdner Landtages, um eine ausgewogenere Verteilung der Landesmittel zwischen den konkurrierenden sächsischen Städten zu erreichen. Ein trojanischer Karl-Marx-Kopf, gefüllt mit Interessenvertretern, sollte unbedingt in die Berliner Zentrale der Deutschen Bahn gerollt werden, um endlich eine akzeptable Fernbahn-Verbindung für unsere Region zu erreichen.

Chemnitz-Lobbyist – ein Beruf mit Zukunft!

Erschienen im 371 Stadtmagazin Heft 11/11
Foto: 3quarks / photocase.com

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