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Wie in einer richtigen Stadt

Herr Ferdinand auf dem Sonnenberg

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Bisher steckte der ganze Schmäh des Sonnenbergs eher im „Verschmähen“ des Stadtviertels durch Leute, die Angst vor brennenden Dixie-Toiletten haben oder mit voller Überzeugung auf dem Kaßberg wohnen.

Der Kaßberg galt lange als Chemnitzer Zentrum der Kaffeehauskultur und bohèmen Lebensart, doch jetzt bekommt er ernsthafte Konkurrenz vom Sonnenberg: Dort gibt es nicht nur die schöneren Brachflächen, sondern seit Ende Mai auch ein waschechtes Wiener Cafè — das „Herr Ferdinand“. Das wird nicht etwa von Möchtegern-Schmähern betrieben, sondern von echten Austria-Natives: Der Betreiber kommt aus Wien, die Köchin aus Kärnten, das Bier aus Salzburg. Das Haus an der Hainstraße gehört österreichischen Investoren, die sich schon quer durch die Chemnitzer Immobilienlandschaft gekauft haben, eine dieser Immobilien nun mit Wiener Flair beleben wollen und sich dafür den Sonnenberg ausgesucht haben. Ausgerechnet, mag man da denken, der Sonnenberg ist das ärmste Viertel der Stadt, und die Sprache, die man hier spricht ist vom weltschönsten Dialekt so weit entfernt wie der Hartmannplatz vom Wiener Prater.

Andererseits gehören Widersprüche zu einem echten Kiez genauso dazu wie Eckkneipen, Dönerläden und finstere Park-Ecken. Außerdem hat das auf dem Sonnenberg ja bisher eher gefehlt: Ein schickes Cafè, in dem sich die Yung Urban Professionals mit Macbook und Macchiato inszenieren, am Nebentisch tagt das Kaninchenzüchterinnen-Kaffeekränzchen, an der Theke bestellt ein Sonnenberg-Original das dritte Herrengedeck, eben einer dieser Orte über den der gemeine Chemnitzer den gemeinen Chemnitz-Satz „Das ist ja fast wie in einer richtigen Stadt hier“ sagt.

Das „Herr Ferdinand“ kokettiert mit Wiener „Herrlichkeit“: Ein bisschen Samt, ein bisschen Sissi, ein bisschen Schmäh, aber alles modern. Es gibt Frühstück, es gibt kostenloses WiFi, es gibt Mittagstisch, man möchte die Mitarbeiter des Technischen Rathauses genauso abholen wie die harten Co-Worker von der Zietenstraße. Es gibt Tageszeitungen, die an der Wand hängen, wie das in Wien eben so gemacht wird, es gibt Mehlspeisen und österreichische Kaffeekreationen — Österreich brüht nach Italien den zweitbesten Kaffee, allerdings mit fragwürdigeren Namen („Brauner“, „Einspänner“). Die Karte ist angenehm übersichtlich, die Preise sind okay.[nbsp] Nun liegt es an den Chemnitzern, ob es sich hier bald wie „richtigen Stadt“ anfühlen wird.

Text: Johanna Eisner

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