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Lisa zwischen den Brüchen

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Der eine schätzt die Freiheiten und den Charme der Brache, der andere erinnert sich gern an schöne Zeiten der Chemnitzer Industriekultur: Timo Stocker und Rainer Schulze sind beide schon lange Zeit mit dem Spinnereimaschinenbau verbunden.

Timo Stocker kam 2006 hierher, um einen Proberaum zu mieten. Die Lage war attraktiv, die Konditionen auch und man konnte Lärm machen, ohne dass sich jemand daran störte. „So etwas findet man in Chemnitz sonst kaum noch“, meint Stocker, „ein Gelände, in dem man so stadtnah nachts Open Air Partys feiern kann.“ Aber es ist wohl nicht allein das, was Woche für Woche Gäste in die alte Industriebrache lockt. Es ist der Charme, der Look dieses verwachsenen Fleckchens. Als Stocker hierher kam, gab es um die 35 Proberäume, aus allen Ecken kam laute Musik. Die meisten zogen über die Jahre wieder aus, er blieb: 2009 eröffnete er die Sanitätsstelle, ein paar Jahre später kam, gemeinsam betrieben mit Thomas Rebsch und Frank Schönfeld, die Spinnerei dazu. Das gesamte Gelände wurde eher locker vermietet, bis 2013 ein Berliner Architekt, Klaus Hirsch, den Spinnbau kaufte. Das Ziel der Spinnwerk GmbH [&] Co. KG ist „das Gelände als guten innerstädtischen Standort für die Vermietung von gewerblich genutzten Flächen zu entwickeln.“

Zu diesem Zwecke werden aktuell nach und nach die Gebäude renoviert, in kleinen Schritten wird so ein Mieter nach dem anderen angezogen. Was anfangs ein eher loses Konglomerat aus Büros, Lagern, Proberäumen und Werkstätten war, wird nun langsam aber sicher ein homogenes Großprojekt.

So etwas war es auch früher schon einmal, erinnert sich Rainer Schulze, der sein ganzes Leben in dem Industriegelände verbracht hat. Nach seiner Lehre arbeitete er bis 1994 in der Packerei des Spinnereimaschinenbaus, nach der Wende dann mal hier, mal da in den stetig wechselnden eingemieteten Betrieben. Heute ist er Hausmeister. „Hier hatten wir alles“, meint er auf die Frage, warum er über Jahrzehnte hinweg nicht weggegangen ist. Im Kosmos des Spinnereimaschinenbaus zu DDR-Zeiten gab es alles, was man brauchte: Es gab einen Glaser, Klempner, gutes Essen. Das Leben im Großbetrieb, erinnert er sich, war immer familiär, man kannte jeden und wenn man etwas brauchte, bekam man es auch. Vom Tischler bekam Rainer Schulze beispielsweise das Holz, mit dem er Zuhause seinen Schinken räucherte. Heute kennt man sich auch, bestätigen die beiden Männer, aber solch ein Miteinander ist es bei Weitem nicht mehr.

Schon fast ein bisschen wehmütig erzählt Rainer Schulze von damals, als die Spinnerei noch der führende Hersteller von Textilmaschinen war: „Es war eine gute Zeit. Es war ein Geben und Nehmen. Und die guten Dinge behält man ja bekanntlich eher, die Schlechten vergisst man.“

Text: Lisa Kühnert, Foto: Maik Irmscher


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