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Beliebt und pleite

Sachsen-Fernsehen schaltet ab. Vielleicht.

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Hier, René Falkner zeigt auf eine Tabelle, auf Platz 37 sind wir, noch vor der ARD und dem MDR. Die Tabelle zeigt eine Hitliste, welcher Fernsehsender in Deutschland die meisten Facebook-Likes hat. Fast 30.000 gehobene Daumen befördern Sachsen-Fernsehen hier in die Top 40. Doch nicht nur hier hat der kleine Regionalsender aus Chemnitz gute Zahlen vorzuweisen. Um die 35.000 Zuschauer pro Tag, gut 7000 Besucher auf der Website. Doch die Zahlen sind wertlos – denn eine Zahl hat mehr Gewicht. 180.000. Euro. Miese. Pro Jahr. Das ist die Wahrheit und die bedeutet: Zum 30. September wird der Sendebetrieb eingestellt. [nbsp]

Man wolle die anhaltende Selbstausbeutung der Mitarbeiter beenden, so hat es Falkner in seiner ans SF-Publikum gerichteten Abschalt-Meldung beschrieben. Dass ein Job beim Sachsen Fernsehen einen nicht gerade zum Großverdiener macht, ist in der Chemnitzer Medienbranche schon lange kein Geheimnis mehr. Mit erstaunlicher Aufopferung haben die wenigen verbliebenen Mitarbeiter jeden Tag ein Programm gefüllt und, nicht zu unterschätzen, eine topaktuelle Website gepflegt. Gerade die Website dürfte die meistbesuchte Nachrichtenseite der Stadt ein. Oft genug grub man in puncto Schnelligkeit der ungleich größeren Freien Presse das Wasser ab. Trotzdem ist es nicht gelungen, diese Aufmerksamkeit in Geld umzuwandeln. Geld, dass zum größten Teil aus Werbeeinnahmen kommen muss. „Der regionale Werbemarkt gibt das nicht her“ beschreibt Falkner das Dilemma und verweist gleichzeitig auf stetig sinkende Einnahmen aus großen, überregionalen Werbekampagnen. Damit bestätigt Falkner nur, was andere regionale Medien, das 371 eingeschlossen, bedauern. Grotesk ist dabei, dass Auswertungen der Werbebudgets der letzten Jahre immer eine sinkende Kurve für Printmedien darstellten, deutliche Sprünge nach oben aber für TV- und Internetwerbung verzeichneten. Nur kommt dieses Geld fast nur bei den großen nationalen Fernsehanstalten und verbreitungsstarken Webseiten an. Für die großen Mediaagenturen, die die dicken Budgets verteilen, ist es oft viel zu müßig, nach kleinen regionalen Medien zu recherchieren und dort einzubuchen – zumal sie die regionale Abdeckung mit eben jenen Big Playern genauso erreichen.

Politische Lösung in Sicht
Eine Studie im Auftrag der Bayerischen Staatskanzlei und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien kommt zu einem klaren Ergebnis: Lokales Fernsehen lohnt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht. Alle untersuchten Sender in Bayern erreichten maximal einen Kostendeckungsgrad von 90 Prozent, ungefähr das, was nach Falkners Auskunft auch bei Sachsen Fernsehen erwirtschaftet wird. In Bayern schießt deshalb das Land selbst die fehlende Summe zu. Nicht pauschal sondern über ein festgelegtes System, aber immerhin hat man dort schon vor Jahren erkannt, dass Lokalfernsehen wichtig für die Informationsbeschaffung der Bevölkerung ist.

Mit dem möglichen Ende von Sachsen-Fernsehen ist auch die hiesige Politik erwacht. Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig, die den Wegfall von SF als wichtige Informationsquelle bedauert, hat bereits mit der Staatsregierung in Dresden gesprochen, um dafür zu werben, dass in Sachsen genau wie in Bayern über eine Grundfinanzierung nachgedacht wird. Die Landtagsabgeordnete Hanka Kliese, Mitglied im Medienausschuss, beschreibt auf 371-Anfrage einen anderen Gedankenansatz. Schon kurz nach Bekanntwerden der Sendebetriebseinstellung hätten sich die medienpolitischen Sprecher aller Fraktionen getroffen um zu besprechen, „wie den lokalen Fernsehsendern in Sachsen effektiv geholfen werden kann. Insbesondere die hohen technischen Kosten der Digitalisierung geraten dabei in den Fokus.“ Nach unbestätigten Aussagen aus Landtagskreisen soll die Sächsische Landesmedienanstalt davon überzeugt werden, diese Kosten für einige Jahre auszusetzen. Ob das jedoch dauerhaft die Probleme des Genres Lokalfernsehen löst, bleibt fraglich.


Lokalfernsehen neu erfinden
Auch René Falkner beschreibt die technischen Kosten für Digitalisierung, Kabeleinspeisung und ähnliche Posten als schwer zu finanzieren. Doch: Damit lassen sich nicht 180.000 Euro einsparen. Funktioniert Lokalfernsehen am Ende einfach nicht? Oder nur, wenn zusätzliche Gebühren erhoben werden? Als Bezahlfernsehen? Als Web-TV? Und: Wie sieht überhaupt gut gemachtes Lokalfernsehen aus?

Man muss das Lokalfernsehen neu erfinden, davon ist René Falkner überzeugt. Er glaubt daran, auch nach dem 30. September noch Lokalfernsehen zu machen. In Chemnitz? Vielleicht, denn ganz in den Brunnen gefallen ist das Kind noch nicht. Nur wie das genau gehen soll, wie die Abwärtsspirale aus zu geringen Werbeeinnahmen, Selbstausbeutung und sinkender Qualität überwunden werden soll, weiß Falkner noch nicht. Neue Investoren hätten sich gemeldet, Gespräche würden laufen, sagt er. Auf die Frage, ob er einen regionalen Fernsehsender in Deutschland kennt, bei dem es besser funktioniert, überlegt er eine Weile und antwortet in die Ferne blickend, nein.

Text: Lars Neuenfeld Grafik: Maik Irmscher

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Erschienen im 371 Stadtmagazin 07/13

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