⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.

Das Web-App-Mag
Immer auf Tasche

Magazin

Reden ist Gold

Studenten geben Sprachhilfe

Veröffentlicht am:

Sachsen bekleckert sich in den letzten Monaten nicht gerade mit Ruhm, was seine Willkommenskultur angeht. Freital, Dresden, Heidenau sind nur ein paar der Negativbeispiele. Umso wichtiger ist es, zu zeigen, dass es auch anders geht: Die Sprachhilfe der TU Chemnitz ist hierbei ein schönes Beispiel. 371-Redakteurin Maria Stephan berichtet von ihren Erfahrungen.

Dienstags und donnerstags sitzen hier Asylbewerber mit Studenten zusammen, um Deutsch zu lernen. Eineinhalb Stunden geht eine Kurseinheit, alle beteiligten Helfer engagieren sich ehrenamtlich in ihrer Freizeit, das Projekt läuft seit August. Meine Erinnerung an das erste Mal, das ich dabei war, ist von gemischten Gefühlen geprägt: Ich war ein bisschen nervös und wusste nicht, was mich erwartet. Kann ich das überhaupt? Wo fange ich an? Wie vermittle ich überhaupt die deutsche Sprache? Und wie erklärt man Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ? Dass es darum eigentlich nicht geht und dass das ganze Drumherum viel wichtiger ist, sollte ich erst nach und nach lernen.

Organisiert wird die Sprachhilfe von Anna Scholaske, Doktorandin im Bereich Anglistik. Durch ihr Projekt „Gesichter der Migration“ und eine Fachtagung zum Thema Asylpraxis kam die Idee auf, Sprachvermittlung für Flüchtlinge anzubieten. Mittlerweile engagieren sich hier ungefähr 25 Ehrenamtliche aus verschiedenen Fachbereichen der Philosophischen Fakultät. Anna kümmert sich um die Verteilung auf die Kurse und arbeitet mit AWO, DRK und Caritas zusammen, um Helfer und Hilfesuchende zusammenzuführen. Sie erklärt: „Die Sprachhilfe dient nicht einfach nur dem Erlernen des ersten Wortschatzes, sondern trägt auch zur Integration bei, indem ein direkter Austausch stattfindet – es gibt kaum Situationen, in denen sich Flüchtlinge und Deutsche auf Augenhöhe begegnen. Das Zwischenmenschliche spielt bei uns eine große Rolle.“

Für Friederike Hinzmann war neben Spaß am Unterrichten der Wunsch zu helfen der entscheidende Faktor, um sich bei der Sprachhilfe zu engagieren. Sie ist Doktorandin im Bereich „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ und damit eine der wenigen mit praktischen Vorkenntnissen. Ihre Erfahrungen sind durchweg positiv: „Mir macht es immer sehr viel Spaß. Die Menschen sind sehr dankbar und freuen sich, wenn man einfach mit ihnen lacht.“ Doch sie erkennt auch die Schwierigkeiten als Ehrenamtlicher – jeder will sein Bestes geben und möglichst viel in möglichst kurzer Zeit vermitteln: „Man muss bedenken, dass ‚Deutsch als Fremd- und Zweitsprache‘ ein ganzer Studiengang ist, das kann man nicht von heute auf morgen lernen und schon gar nicht nebenbei. Aber das ist auch gar nicht Sinn der Sache. Es ist nicht so, dass wir Lehrer sind und die Schüler – sondern dass wir einfach helfen und das sind Leute, die unsere Hilfe gerne haben möchten. Wenn man mit dem Gedanken rangeht, dass man Lehrer ist, baut das unglaublichen Druck auf.“

"Das Zwischenmenschliche spielt bei uns eine große Rolle."

Um die ehrenamtliche Arbeit zu erleichtern, werden mehrere Workshops angeboten. Während der erste sich um die interkulturelle Kommunikation drehte, geht es beim zweiten mehr um Fremdsprachendidaktik. Doch auch der Austausch untereinander ist wichtig, keiner soll sich mit der Situation und möglichen Schwierigkeiten alleingelassen fühlen. Denn die Sprachhilfe ist auch immer eine kleine Herausforderung, man weiß vorher nie genau, wer kommen wird und mit wem man zusammensitzt. Die ersten Minuten nach der Gruppeneinteilung bestehen aus kurzem Smalltalk, um einschätzen zu können, was mein Gegenüber bereits kann:

„Wenn man mit dem Gedanken rangeht, dass man Lehrer ist, baut das unglaublichen Druck auf.“

Hallo, wie heißt du? Woher kommst du? Wie alt bist du? Was hast du bereits gelernt? Darauf folgt dann die Überlegung, welchem Themengebiet man sich heute widmet. Lebensmittel, die Uhrzeit oder lieber Verben? Trotzdem hat man keine typische Unterrichtsatmosphäre, der Umgang ist locker und herzlich, kommuniziert wird notfalls mit Händen und Füßen, Gestik und Mimik. Deutsche Wörter werden wiederholt, die arabischen dazu passend ausgetauscht und wenn man dann feststellt, dass ‚Schokolade‘ auf Arabisch fast gleich klingt, sind das kleine Momente, die verbinden. Improvisation und Flexibilität gehören zu jeder Einheit dazu, ebenso Spontanität und Geduld. Es geht nicht um stures Pauken – Lachen und Missverständnisse gehören dazu, doch Offenheit für neue Erfahrungen wird immer belohnt. Und ein ehrlich gemeintes „Dankeschön“ am Ende der Stunde ist der schönste Lohn von allen.

gesichterdermigration@gmail.com

Text [&] Foto: Maria Stephan

Zurück