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Zwei Literaten zu Gast in Chemnitz

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Für die Arbeit an einem Literaturmagazin* sind wir aus Frankfurt a.M. nach Chemnitz gekommen. Wir wollen Eindrücke sammeln von Spuren eines vergangenen Systems und dem Übergang in die alternativlose Welt des Spätkapitalismus.

Was uns begegnet, auf dem Sonnenbergviertel oder in den Industriebrachen rund um die Spinnerei, erscheint uns auch als ein Utopia. Ein wenig subkulturelle Aneignung und daneben eine auratische Weite und Leere, die nicht in Szene gesetzt werden muss. Unser Blick ist ästhetisch, was denen wenig hilft, die zurückbleiben.

Seltsame, aus der Zeit gefallene Gebäude öffnen sich uns, an deren Fassaden das Wort Fabrik auftaucht und die daran erinnern, dass es einmal mit Glück verbunden gewesen sein muss, etwas zu erschaffen. In manchen Gebieten Europas liegt diese Zeit kaum dreißig Jahre zurück.

Hinter den Fassaden begegnet uns Gegenwart: Jemand umzäunt ein Gebiet und veranstaltet Partys. Alte PKW oder Kleinlastwagen werden ausgeschlachtet, die Reste zerfallen.

Wir haben das repräsentative Zeitalter verlassen. Neue Bahnhöfe tragen keine Prachtschilder mehr. Niemand preist in geschwungenen Lettern die Größe der Stadt an. Vom feudalen Palast über den bürgerlichen Prachtbau zieht sich eine Linie zum sozialistischen Plattenbau: Die des selbstbewussten Bauens. Die Gebäude, deren Reste wir in Chemnitz sehen, sprechen selbstbewusst die Ideologie derer aus, die bauen: Fürsten, Bürger, Arbeiter. Dieses Zeitalter haben wir verlassen. Baulücken werden aufgefüllt mit den immergleichen Elementen europäischer Innenstädte - Einkaufszentren, Hotels oder Bürogebäuden, Funktionsbauten, die nicht um ihre Haltung wissen.
Es gibt keine Notwendigkeit mehr, in dem, was gebaut wird, etwas anderes zum Ausdruck zu bringen, die Vorzüge der eigenen Ideologie, die Zuversicht in eine bessere Menschheit. Kein Luxuswohnungskomplex in der Frankfurter Innenstadt würde sich die Mühe machen, die gestalterische Präzision, den Ideenreichtum, die ornamentale Vielfalt oder auch nur das Karge des Bauhaus zu wiederholen, das die Fassaden der Textilfabriken auszeichnet.

Ein Spaziergang durch Chemnitz und wir sehen sie verfallen, die schönen Fassaden. Was wäre, wenn es hier etwas zu tun gäbe? Die Frage ist nostalgisch. Die Suche nach Sinn hat nicht aufgehört, aber die Ideologien, die ihn heute liefern, sind destruktiv – Hass auf Fremde, dichte Grenzen, Eigennutz.

Sie sind der Spiegel des Zeitalters, in dem wir leben. Die Befreiung aus der Fabrik war die Befreiung in die Sinnlosigkeit von Discountern, Amt und Tattoostudio und die unbegrenzte Afterhour. Bier vom Netto, gefärbte Haare und Stiche auf Brust und Arm sind der Ersatz für ein Leben, das Sinn haben könnte. Wir sehen zu dicke Nähte an einer aufgerissenen Hand. Es ist nicht mehr die Arbeit, durch die wir unsere Wunden tragen. (*OTIUM)

Text: Andreas Engelmann, Ossian Hain, Foto: Spinnwerk


Ecken und Enden: Der schlafende Riese
In zehn (oder mehr) aufeinander folgenden Ausgaben wollen wir 100 Geschichten über Chemnitz erzählen. Dabei richten wir unseren Blick auf Mikroareale, und zwar von den Orten aus, die das 371 sowieso fokussiert: den Orten der Kultur und der Zerstreuung. Teil Fünf: Das Gelände der ehemaligen Spinnereimaschinenfabrik.

Lisa zwischen den Büchern
Der eine schätzt die Freiheiten und den Charme der Brache, der andere erinnert sich gern an schöne Zeiten der Chemnitzer Industriekultur: Timo Stocker und Rainer Schulze sind beide schon lange Zeit mit dem Spinnereimaschinenbau verbunden.

Beate und ein Wandgemälde aus ferner Zeit
Wer einen Nachmittag in der Boulderhalle auf der Altchemnitzer Straße verbringen möchte, schlendert auf dem Weg dorthin unverhofft an einem Wandbild von Will Schestak aus dem Jahr 1959 vorbei. Direkt am Treppenaufgang zum ehemaligen Speisesaal des VEB Spinnereimaschinenbaus prangt groß, in mittlerweile blassen Farben, ein Prachtstück schönster DDR-Auftragskunst.

Szymmi blickt zurück mit Harald Szymanski
Wie es wirklich war, damals in der Spinnereimaschinenfabrik zu arbeiten und was passierte, wenn es Ketchup im Betriebkonsum gab, hat Szymmi bei Harald Szymanski erfragt.

Michael und das Treffen der Riesen
Sollte man schlafende Riesen wecken? Unbedingt, meint zumindest ein EU-Projekt, innerhalb dessen sich auch das Gelände des Spinnereimaschinenbaus in die Phase des traumbelebten REM-Schlafs begeben soll.

Jan und die Welt der Arbeit
1839 wurde die „Sächsische Maschinenfabrik“ an der Altchemnitzer Straße gegründet. Nach erfolgreichen Jahren als Produzent von Lokomotiven, Werkzeug- und Spinnereimaschinen schlitterte das Unternehmen nach dem 1.Weltkrieg in eine peinliche Pleite. Die stolze Maschinenfabrik wurde zerschlagen.

Szymmi blickt aufs Jetzt mit Klaus Hirsch
Was die Spinnwerk GmbH[&]Co KG mit der Chemnitzer Brache alles vor hat, hat Szymmi im Gespräch mit Geschäftsführer Klaus Hirsch herausgefunden.

Nina kennt keine Gnade
Die Lasertag-Halle im Spinnereimaschinenbau ist beeindruckend groß und verwinkelt. Es ist dunkel und die Wände sind mit Neonstreifen beklebt. Das Schwarzlicht erhellt alles in einem eigenartigen Licht.

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