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Hipster oder Hartzer?

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Die Chemnitzer Faktenlage ist zumindest statistisch eigentlich recht klar. Die möglichen Interpretationen gibt‘s jetzt als Kartenspiel – von dunkeldeutsch bis leuchtende Zukunft.

Spätestens seit einem Jahr wird sie gesucht: die Verstehformel für den Ostdeutschen. Nach Pegida, nach Chemnitz, nach den Ergebnissen der letzten Wahlen fragen sich Bürger und Medien in allen Teilen des Landes, wie konnte das passieren? Da werden dann entweder vier Leute befragt und dürfen anekdotisch über ihre Erfahrungen an der Zenti berichten, oder es werden Statistiken bemüht, die die Abgehängten und Undemokratisierten in Balkendiagramme packen. Gleichzeitig muss sich das bemitleidenswerte Chemnitzer Stadtmarketing abmühen, um dem Image etwas entgegenzusetzen. Da werden dann entweder vier Leute befragt und dürfen anekdotisch über ihre Erfahrungen auf dem Kaßberg berichten, oder es werden Statistiken bemüht, die die Kreativen und Toleranten in Balkendiagramme packen. Spezialist für Letzteres ist auch der Chemnitzer Statistiker Ulrich Weiser mit seinem FOG-Institut für Markt- und Sozialforschung . Er weiß: „Du kannst dir mit Daten die Realität drehen, wie du sie brauchst." Das hat er nun auch getan und aus realen statistischen Daten zu Chemnitz Kartenspiele für zwei Zielgruppen gemacht.

Das Kartenspiel Chemnitzer Stadtteile gibt’s in den Editionen „Der tiefste Osten" und „Chemnitz zieht an". Es zeigt das gleiche Glas aus zwei Perspektiven, halb leer und halb voll. Wie bei den guten alten Autokarten werden Werte miteinander vergleichen. In der Tiefster-Osten-Version, gewinnen höchste Arbeitslosigkeit, größter Leerstand oder niedrigste Wahlbeteiligung. In der Zieht-an-Variante siegen Umweltbewusstsein, Zuzug und Altbauanteil. Die Spiele kommen als Broschüre zum selbst Ausschneiden, das sei Teil der Therapie, sagt Ulrich Weiser.

Zielgruppe sind vor allem Chemnitzer*innen, denn wer die Stadtteile nicht kennt, werde mit den Daten wenig anzufangen wissen. Hinter den Bestellungen aus dem Westen des Landes, etwa aus Leverkusen, vermutet er deshalb auch Exilanten. Vorn aufs Cover hat er ganz dick Satire geschrieben, das haben dann manche trotzdem nicht verstanden und sich über die Stereotypen im Spiel beschwert. An denen ist aber sowieso schwer zu rütteln. Ulrich Weiser hat schon einige Umfragen zum Image der Stadt Chemnitz im Rest des Landes durchgeführt – zuletzt sechs Monate nach "den Ereignissen" – und er meint, er werde durch die Forschung auch nicht mehr klüger, die Antworten sind meist dieselben. Die meisten Befragten wissen über Chemnitz etwa so viel wie wir über Krefeld, nämlich gar nichts und der Rest wird eben mit Stereotypen aufgefüllt. So gesehen kann man damit auch als Kartenspiel ein bisschen Spaß haben. Für den tieferen Einblick nimmt man dann am besten die Bahn und fährt selbst mal vorbei.

Die Spielbroschüre kann man bestellen unter: fog-institut.de/shop/

Text [&] Foto: Michael Chlebusch

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