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Was Schönes zum Einwickeln

Lyrik auf Zeitungspapier

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Lyrik, Lyrik, da war doch mal was. Ja, Heine, Goethe, Bestseller - damals, als Poetry noch Gedicht hieß und Slams in roten Socken auf der Wartburg ausgetragen wurden. Schön war das bestimmt. Heute findet echte Lyrik ja nicht einmal mehr auf 3sat statt. Aber bald in der Zeitung! Zumindest wenn es nach den Machern von „Besser als heute Morgen“ geht.

Die lassen Lyrik gerade im Rheinischen Format* auf echtem Zeitungspapier drucken. 3.000 Stück mit zehn Seiten Lyrik für gerade mal 80 Cent. Das Gute, Wahre, Schöne als ganz normales Gebrauchsgut, das ist die Idee dahinter. Sechs Chemnitzer haben sich dazu für Redaktion, Layout und Fotografie zusammengefunden: Christian Gesellmann, Matthias Zwarg, Martin Rüdiger, Frank Weißbach, Mathilde Schliebe und Frank Roscher. Wir wollten etwas Schönes machen, sagen sie. Am Anfang war noch gar nicht klar, was das werden soll und wie es aussieht, langsam hat sich dann die Zeitung daraus entwickelt. Sie haben auf Verdacht Freunde und Bekannte angeschrieben und oft hat sich bestätigt: die schreiben Lyrik und kennen auch Leute, die welche schreiben. So kamen 70 Einsendungen zusammen, 30 Beiträge wurden ausgewählt.

In der Zeitung kommen 16 unterschiedliche Autoren (auch prämierte und gestandene wie Andreas Altmann) zusammen, aus dem deutschen Sprachraum und den USA, Rumänien und Portugal. Einziges Auswahlkriterium war der Geschmack der Redaktion, die teilweise auch selbst Werke beisteuerte. Themen sind die bekannten alles umfassenden: Verlust, Liebe, Sehnsucht vielleicht ein kleines bisschen Hoffnung. Hoffnung beispielsweise darauf, dass „Besser als heute Morgen“ dem grauen Menschentrott auf dem Weg zur Arbeit in die Hände fällt und seinem Titel Bedeutung verleiht.

Dazu gibt es die Idee, die Zeitung als Obdachlosenblatt verkaufen zu lassen. Das unterstreiche den Ansatz: Lyrik von und für alle in einem höchst vergänglichen Medium. Ein Medium, das zudem sehr vielseitig ist. Man könne prima Sachen darin einwickeln (Fisch etwa), sagen die Macher, oder die Seiten großflächig ankleben. Tapete sei bedeutend teurer als das Blatt. Wer zu den ersten gehören will, die es in den Händen halten, sollte sich Mitte März auf der Leipziger Buchmesse umschauen, wo die Zeitung erstmals verkauft wird. Ein Nachfolger ist angedacht. Vielleicht mit Liebe oder Sex als Thema. Aber erst einmal will die Redaktion den Erfolg der Erstausgabe abwarten. Die wird zeigen, wie bereit der Gegenwartskonsument für den Wiedereintritt der Lyrik in die breite Gesellschaft ist.

* Darunter versteht man ein DIN-genormtes
Zeitungsmaß von 35 cm Breite und 52 cm Höhe

Text [&] Foto: Michael Chlebusch

Erschienen im 371 Stadtmagazin 03/13



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