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Nina betrachtet das Inferno

Ein Besuch im Hinterhof

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Wer kennt es nicht: Man flaniert an einem sonnigen Nachmittag die Augustusburgerstraße entlang und bekommt urplötzlich Lust auf Kaffee und Kuchen. Nur keine Panik! Ein mintgrünes Haus ist in diesem Moment die Rettung. An der Fassade ein aufgemaltes Frauengesicht, das höflich aber bestimmt zum Eintreten bittet. In diesem Gebäude befindet sich das Café und Pension Helene. Ich trete ein[nbsp] und finde mich in der Hochburg des Kitschs wieder.

An den Wänden hängen jede Menge Scherenschnitte, auf dem Bartresen thront ein riesiges Aquarium, gegenüber an der Wand steht ein Terrarium und überall sind kleine Figuren. Das hier ist kein Hipsterding, das hier ist authentisch. Alles ist vollgestellt. Der beste Platz in diesem Café ist auf jeden Fall der im Wintergarten. Ich kämpfe mich vorbei an mit Plastikvögeln verzierten Kunstblumen und setze mich auf einen Stuhl, zwischen Vogelscheuchen und Keramikhasen.

Dann halte ich die Luft an. Der Anblick des Hinterhofs raubt mir den Verstand. Mein Körper erstarrt.

Zwischen Blumenbeeten und einer Raucherinsel befindet sich eine riesige Modelleisenbahnanlage. Maßstab 1:22,5. Schienen führen über einen mit Goldfischen belebten Teich. Der ganze Hinterhof ähnelt einem kleinen Dorf, einem Dorf mit super guter Infrastruktur. Doch so gemütlich die Szenerie zunächst wirkt, der Schein trügt. Die an den Bahnstationen wartenden Männlein liegen mit dem Gesicht zum Boden. Eine Frau mit Kinderwagen stürzte sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Schienen. Renter liegen verkrümmt neben ihren Sitzen. Strommasten und Stromleitungen krachten in die, vom Wetter angegriffenen, Häuserdächer. Auf dem Grund des Goldfischteichs erkennt man verschwommen ein paar Wasserleichen. Ein makaberer Anblick. Ich vermute dieses kleine, verschlafene Nest fiel einer gewaltigen Naturkatastrophe zum Opfer.

Die Bedienung kommt durch Blumentöpfe und Nussknacker angeklettert und nimmt meine Bestellung auf. Leider ist ihr Gesicht nicht das Gesicht auf der Fassade. Das ist also nicht Helene. „Einen Kaffee bitte. Was ist da draußen passiert?“ frage ich mit großer Anteilname. Die Frau zuckt mit keiner Wimper und antwortet gleichgültig: „Ach das, das waren die Katzen, wenn die im Frühling rollig werden, machen die hier immer Remmi-Demmi.

Die Deutsche Bahn hat Probleme mit Stuttgart 21 und Sprayern, die Pension Helene muss sich mit Katzenrowdys auseinandersetzen. Ich habe gelernt, das Eisenbahnbusiness ist überall ein schwieriges Geschäft.

Text: Nina Kummer


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