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Rappende Wände

Vor 20 Jahren wurde der HipHop-Club St. Etienne gegründet

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Seit 1993 ist das St. Etienne im Chemnitzer AJZ eine Keimzelle für die Hip Hop Kultur in Chemnitz. Aufgebaut und konzipiert von enthusiastischen Jugendlichen in den frühen Neunziger Jahren, war es ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt der ostdeutschen Szene. Wenn die Wände des Etienne sprechen könnten, würden sie vermutlich lieber rappen.

Bataclan-DJ Jörg Uhlig berichtet von der Geburtsstunde des Projektes St Etienne: „Schon 1984 gab es eine sehr aktive Breakdance-Szene in Chemnitz. Aus Mangel an Alternativen haben wir uns immer auf der Straße getroffen und getanzt“ so Uhlig. Eine handvoll verschiedener Gruppen an Breakdance-Enthusiasten gab es zu diesem Zeitpunkt verstreut in ganz Chemnitz. Die Szene traf sich zum gemeinsamen Tanz auf Pappkartons und ging feiern. „Wir waren auf der Suche nach einem kreativen Freiraum in Chemnitz und einer Ausweichmöglichkeit für die illegalen Partys die in den leerstehenden Fabrikhallen statt fanden“ erinnert sich Jörg Uhlig. Das AJZ Chemnitz bot sich an, als die Mauer bereits gefallen war.

1992 bezog das Alternative Jugendzentrum seinen jetzigen Standort in der Chemnitztalstraße und ein Jahr später wurde das St. Etienne, auf Initiative der Doya Posse, gegründet. Diesem losen Verbund aus Graffiti-Sprühern, Rappern und Breakdancern entsprang u.a. auch Rapper und DJ Jaleel der seine späteren Weggefährten Tefla, DJ Ron und DJ Shusta ebenfalls im St. Etienne kennen lernte. Der Dancehall-Direktor Ronny Trettmann höchstpersönlich gehörte noch unter seinem damaligen MC- [&] Sprüheralias „Trè“ zu den Gründungsmitgliedern der Doya Posse. „Endlich mussten wir nicht mehr in den Wohneingängen vom Heckert-Gebiet rumlungern, sondern wir konnten im Etienne malen, auflegen, rappen und tanzen. Sogar Marusha war irgendwann mal bei uns und hat eine Reportage für das Fernsehen gedreht“ berichtet der heutige Dancehall-MC. Aufgrund mehrerer Übergriffe auf Afrikaner, gründete sich die antirassistische Doya Posse und Workshops, Jams und Parties wurden in regelmäßigen Abständen im St. Etienne ausgetragen. „Zu diesem Zeitpunkt war der Tourismus unter den Städten auch viel ausgeprägter als heute. Wir sind oft nach Dresden und Leipzig gefahren und bei unseren Konzerten waren auch immer sehr viele Leute aus der Umgebung da“ so Trettmann über die Blütezeit der Jam-Kultur in Chemnitz.

Ein anderes Chemnitzer Urgestein kommt ebenfalls durch das Projekt mit der Hip Hop Kultur in ersten Kontakt – DJ Shusta. „Meine allererste Rap-Party war im St. Etienne, also wirklich die erste Party auf der ich war und es lief den ganzen Abend lang Rap-Musik. Zu dem Zeitpunkt hab ich noch in Flöha gelebt und bin immer mit dem Moped nach Chemnitz gefahren“ erzählt Robert Schuster. Unter den damaligen Anwesenden ist auch ein junger DJ namens Ron, der zu Beginn seiner DJ Karriere noch Jungle- und Drum and Bass- Platten drehte. 1996 gründete er gemeinsam mit DJ Shusta ein Rap-Mixtape-Label nach amerikanischem Vorbild: Phlatline Tapes. Der Grundstein für Robert Schusters bis heute andauernde Karriere als DJ wurde im St. Etienne gelegt. „Das war die einzige Location in Chemnitz zu diesem Zeitpunkt in der Technics Plattenspieler standen und wir auflegen konnten ohne jemanden zu nerven“ so Schuster.

Um die Jahrtausendwende herum formierte sich die nächste Generation der Hip Hop Kultur. „Wir sind irgendwann gegen 2000 von der Kunstfabrik ins Etienne gekommen. Wir haben Freestyle gemacht, es wurde Breakdance getanzt und es war unser Graffiti-Corner. Zu diesen Treffen kamen dann auch immer neue Leute dazu und irgendwann ist daraus dann Epileptik Undercover gegründet worden“ berichtet der Produzent und ehemalige Rapper Marcus Michael. Im AJZ veranstaltete die achtköpfige Crew mehrere Release Partys mit zahlreichen anderen Rap-Musikern aus Sachsen und das erste Grime-Konzert in Chemnitz mit der aus Manchester stammenden Rapperin Envy. Entertainment-Gigant und Wunderheiler Onkel Looping ist ebenso aus der Formation Epileptik Undercover hervorgegangen wie ein Teil der sagenumwobenen 5 Wigglz.

Zum zwanzigsten Geburtstags der Institution kommen viele der Akteure zurück an den Anfang um sich gegenseitig zu erzählen wie schön früher alles war und wie die Zeit doch vergangen ist. Wir vom 371 wünschen dem St. Etienne, der Wiege für einen Großteil der Chemnitzer Hip Hop Szene, noch viele weitere Jahre und immer genügend Nachwuchs.

Geburtstagsparty 09.11. im AJZ u.a. mit Bataclan, Shusta, Tino K (aka. Jaleel), Mothership Connection, BF Hole, Stewka, Gleisbettboogie

Text: Florian Harlass Foto: Gladsome Fotografie

Erschienen im 371 Stadtmagazin 11/13

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