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Urbane Kunst

Kunstjahr endet mit unerwartetem Highlight

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An Graffiti scheiden sich die Geister. Für die einen ist es Kunst im öffentlichen Raum, für andere nur Schmierei an einer Hauswand. Gerade Hausbesitzer ärgern sich über Sprüher. Im Dezember öffnet nun ausgerechnet einer der in Chemnitz bekanntesten Hausbesitzer seine Immobilie für die bisher größte Urban Art-Ausstellung in Sachsen.

Die Rede ist von HALLENKUNST und von dem Architekten Peter Waldvogel. Der ist Besitzer der Markthalle. Weil der Traum vom urbanen Marktplatz mit Großstadtflair in Chemnitz nicht so recht funktionieren wollte, steht diese seit einigen Jahren leer. Aber das imposante Gebäude an der Chemnitz bietet Platz für viele Träume. Warum da nicht von einer 4000 qm großen Ausstellungsfläche für junge Kunst träumen? Das nun ausgerechnet Street Art- und Graffitikünstler den leeren Raum mit Leben füllen, ist nur auf dem ersten Blick verwunderlich. Nur wenige wissen nämlich, dass von einem kleinen Büro in der Innenstadt aus die weltweit größte Street Art Eventserie organisiert wird. Zu den wenigen Wissenden gehört Peter Waldvogel und so klingelte Anfang Oktober diesen Jahres das Telefon von René Kästner.

René ist ein Sprayer der alten Schule und verpasste Anfang der Neunziger dem Chemnitzgrau so manchen Farbtupfer. Nach einigen Jahren in Hamburg kehrte er Anfang der Nuller Jahre nach Chemnitz zurück und gründete mit Katja Richter die Eventserie Write4Gold. Schon 2003 lief der Wettbewerb der besten Graffiti-Künstler deutschlandweit ab, seit 2006 sogar weltweit. Keine Frage, René und Katja kennen die Szenerie bestens und als Peter Waldvogel sie mit dem Angebot konfrontierte, in der Markthalle eine große Ausstellung zu organisieren, konnte die beiden gar nicht mehr nein sagen.

„Mit der Idee für eine solche Ausstellung laufen wir schon seit zwei, drei Jahren herum. Ich hätte aber nie gedacht, sie in Chemnitz verwirklichen zu können.“ erklärt René und freut sich auf viele alte Bekannte und neue, junge Künstler. „Als der Anruf kam, war ich gerade bei einer Ausstellung in Lahr, wo mit Molotow einer der größten Sprühdosenproduzenten seinen Sitz hat. Viele bekannte Street Art Künstler waren gerade vor Ort und so konnte ich auf kurzem Weg deren Teilnahme klären.“ Nur so ist die unglaublich kurze Vorbereitungszeit von nur acht Wochen erklärbar. Außerdem bietet die Markthalle mit ihren ungenutzten, weißen Marktständen optimale Voraussetzungen für eine Urban Art Ausstellung, bei der Graffiti aber letztendlich gar keine so große Rolle spielen wird.

Urban Art, nicht Graffiti!
Den Begriff Graffiti-Ausstellung hören die Organisatoren daher auch gar nicht gern. „HALLENKUNST ist eine Urban Art-Ausstellung“ stellt der 33-Jährige klar und erklärt: „Zwar haben alle Ausstellenden irgendwann mit der Sprühdose in der Hand angefangen, heute arbeiten sie aber zum Teil mit ganz anderen Materialien auf völlig unterschiedlichen Untergründen.“ Als Beispiel nennt er den Fotografen André Wagner. Der gebürtige Niederfrohnaer, lange Zeit auch als Fotograf beim 371 tätig, hat einst als Sprayer angefangen. Erst später tauschte er das Cap gegen den Kameraauslöser. Seine Herangehensweise sei aber noch immer ähnlich. Heute arbeitet André Wagner oft mit Langzeitbelichtungen, bei denen durch die Bewegung einer Lichtquelle diese wie ein strahlender Pinselstrich in einer dunklen Stadtlandschaft erscheint.

Viele der mindestens 24 anreisenden Künstler haben ihre Wurzeln in Chemnitz. Das sei aber nicht verwunderlich, so René, denn gerade Mitte der Neunziger sei die Chemnitzer HipHop- und Graffiti Szene eine der aktivsten in Ost-Deutschland gewesen. „Letztendlich haben wir mit dem Write4Gold die selben Wurzeln wie das splash! oder Phlatline. Für die Chemnitzer Sprayer-Szene war es aber schon damals wichtig, auch außerhalb von Chemnitz ihr Können zu zeigen. So entstanden über die Jahre viele Kontakte in alle Ecken der Welt.“

Banksy or not Banksy?
Zu HALLENKUNST reisen Künstler aus Basel, Chemnitz, Dresden, Koblenz, Köln, Kopenhagen, Leipzig, Lörrach, Meerane, München, Prag, Strasburg und Wien an. Mit besonderer Spannung erwartet die Kunstwelt das Erscheinen von Banksy, dem aktuell bekanntesten Street Artist. Obwohl seine Werke weltberühmt sind und zu einer Ausstellung im letzten Jahr über 300.000 Menschen kamen, weiß keiner wie der Brite aussieht. René lächelt darüber. Er hat Banksy vor vielen Jahren kennen gelernt und so über den kurzen Weg ein Filmaufführung des neuen Films „Banksy - Exit Through The Gift Shop“ arrangiert. „Eventuell wird Banksy vorbeischauen, seine Identität wird er aber trotzdem nicht preisgeben. Aber vielleicht bleibt eines seiner Schablonengraffiti in Chemnitz zurück. Wer weiß...“.

Ob sich Banksy in Chemnitz mit einem Kunstwerk verewigt oder nicht - von HALLENKUNST soll in jedem Fall etwas zurückbleiben. „Für uns ist das Lobbyarbeit für diese neue Kunstrichtung. Wie erhoffen uns, eine Tür zu öffnen, um hier in Chemnitz, aber auch anderswo, zukünftig mehr solcher Urban Art-Ausstellungen machen zu können.“ Nicht zuletzt sollen mit dem Ausstellungswochenende auch Nutzungsmöglichkeiten für die leerstehende Markthalle aufgezeigt werden. Temporäre Ausstellungen oder Kunstmessen könnten immerhin ein Weg sein, das architektonische Kleinod an der Chemnitz sinnvoll zu nutzen.

10.12. 21:00 Uhr Opening [&] Vernissage, Laudatio (Ingrid Mössinger), Film Screening [&] Urban Art Live Performance Paint Club, 11.12. 18:00 Uhr Künstlergespräch,20:00 Uhr Filmvorführung „Banksy – Exit Through[nbsp] The Gift Shop“, 12.12. ab 16:00 Uhr Finissage. Es erscheint ein Katalog.

www.hallenkunst.de

Ähnline Artikel im 371 Stadtmagazin: Zwischen Chrombombing und Goldschreiber

Text: Lars Neuenfeld Foto: André Koch, Presse Hallenkunst

Erschienen im 371 Stadtmagazin 12/10
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