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Das dreiköpfige Wesen

Ein Praktikumsbericht zur 150. Ausgabe

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Alter Egos im Buchstabensalat: So ähnlich sieht es im 371-Büro aus.

Seit mehr als zwölf Jahren gibt es das 371, die 150. Ausgabe haltet ihr in den Händen. Jubiläum. Und der Anlass, um einen Blick hinter die Kulissen zu wagen. 371-Chef Lars Neuenfeld nennt es „charmant“, wenn ich das machen würde. Als Praktikant im dritten Monat. Hier also meine Eindrücke vom 371.

Ich will wissen wie Redaktionskonferenzen ablaufen. Das war meine Erwartung. Noch im Bewerbungsgespräch werde ich enttäuscht. Es gibt hier keine Redaktion. Es gibt nicht mal Absprachen über die Heftinhalte mit den anderen Mitarbeitern des Cartells, der Agentur die das 371 verlegt. Im Prinzip läuft alles über Lars’ Schreibtisch.

Ist das 371 eine One-Man-Show?
Keinesfalls, in meinem Umfeld gibt es viele mit denen ich mich über das Magazin unterhalte. Ich bin so ein bisschen im Zentrum, aber darum sind immer eine Menge Leute, die beim 371 mitmachen. Nicht zuletzt unsere beiden Grafiker Kai und Maik.

Einer der immer viele Informationen hat, ist Michael Chlebusch, der monatlich mit einem kleinen Notizblöckchen anrückt, um Themen vorzuschlagen. Interessant oder zumindest cool sollten sie sein. Diese Treffen ähneln eher einem freundschaftlichen Plausch, als hammerharten Meetings. Aber so läuft in der Entstehung des Magazins eigentlich alles ab. Locker. Das macht sich auch in der Endredaktion bemerkbar. Die meisten meiner Texte wurden kurz mit „schön“, mal leiser, mal bestimmter, bewertet und gedruckt.

Wie wichtig ist der Magazinteil?
Das Drumherum, also die redaktionellen Texte, ist die Kür. Die Grundlage dieses Magazins, die Pflicht, ist ein guter Programmkalender.
Wie findest du das persönlich?
Ich finde das richtig. Es ist unser Know-How zu wissen was in der Stadt los ist. Das haben wir anderen voraus. Im Endeffekt ist es das Erfolgsrezept des 371. Die Leser haben das honoriert.

Am Programmkalender macht der Chef sich die Hände aber nicht selbst schmutzig. Dafür gibt es freie Mitarbeiter und Praktikanten. Das Einpflegen der Termine ist zwar keine Drecks- aber eine Fleißarbeit. Gerade bei den umfangreichen Kino- und Theaterprogrammen. Auch manche Diskotermine landen auf dem Praktikantenschreibtisch. Die Termine der alternativeren Läden pflegt ein erfahrenerer Mitarbeiter ein. Mich wunderte das nicht, denn gefühlt werden im 371 einige Läden mehr gepusht als andere.

Wieso diese besondere Behandlung?
Die gibt es gar nicht. Aber es gibt nun mal Locations, die ein weitaus breiteres Programm machen als andere. Jeden Freitag DJ Holger im Black-Floor finde ich dagegen unspannend. Das tendiert eher Richtung Nullinformation.
Woran orientiert sich das 371 dann?
Ich versuche herauszufinden, was die Leser interessiert. Es gibt dabei viele Dinge, die mich persönlich nicht interessieren, die ich aber trotzdem unbedingt im Heft abbilden will, weil ich denke, dass sie für andere interessant sind.
Wer liest das 371?
Wenn wir unseren jährlichen Leserpoll machen, ist es für mich immer total faszinierend zu sehen, wo die Leute herkommen, was sie mögen, in welche Clubs sie gehen, welche DJs sie toll finden. Und das gibt mir immer die Bestätigung, dass unser Publikum sehr schön durchmischt ist. Generell ist es weniger jung als viele glauben. Zwischen 18 und 30 ist unsere Kernleserschaft, tendenziell studentisch geprägt und breit interessiert.

Aber das Publikum ändert sich offensichtlich. Die Auflage des 371, die mal weit über 20.000 Stück lag, ist auf 12.000 geschrumpft. Die Hefte liegen länger in den Klubs als früher.

Wieso ist das so?
Generell haben sich die Zeiten geändert, auch für unsere Mitbewerber. Das gedruckte Stadtmagazin als Informationsquelle verliert an Bedeutung. Vor allem das mobile Internet hat ihm den Rang abgelaufen. Aber wir reagieren auf diese Entwicklung.
Inwiefern?
Ich sehe das 371 zukünftig als dreiköpfiges Wesen. Da gibt es zum einen das Printmagazin, zum zweiten die Browserausgabe und zum dritten die App. Ab 1. Juli ist die als Android-Version kostenfrei abrufbar, zum 1. August steht die iOS-Variante. Perspektivisch sehe ich die Gewichtung dieser drei Formen aber in genau umgekehrter Reihenfolge. Die App wird der wichtigste Infokanal werden. Und genau das ist auch das Problem.
Wieso?
Weil wir ein werbefinanziertes Medium sind. Nur wenn genug Veranstalter und Firmen, die dieses Umfeld als sinnvoll erkennen, bei uns Geld ausgeben, können wir das 371 machen. Klar. Aber gerade der mobile Internetmarkt ist ein großes Mysterium was das Geldverdienen angeht. Selbst Facebook steht rätselnd vor diesem Problem.

Während die 150. Ausgabe langsam in Richtung Druckmaschine wandert, muss ich nun Dutzende Texte für die neue Website verfassen. Über 100 zusätzliche Artikel zu Konzerten, Partys, Filmen, Ausstellungen und Vorträgen. Auf der Webseite soll all das noch tiefgehender beschrieben werden. Mir erscheint es als enormer Mehraufwand, der da in Zukunft betrieben wird.

Warum diese zusätzliche Arbeit?
Ich will, dass die Veranstaltungen gut besucht sind. Das ist mir wichtig. Und ich ärgere mich ganz furchtbar wenn beispielsweise gute Konzerte schlecht besucht sind. Da bekomme ich regelrecht Bauchschmerzen.

Nebenbei rattert die Heftproduktion auf Hochtouren. Lars gibt sich dadurch äußerlich unbeeindruckt. Selbst wenn es kurz vor dem Drucktermin stressig wird, ist ihm davon selten etwas anzusehen.[nbsp]

Geht dir die Arbeit leicht von der Hand?
Nach 150 Ausgaben stellt sich viel Routine ein, manchmal auch Müdigkeit. Aber dann kommen eben auch die anderen Momente, wo aus irgendeiner Ecke wieder eine Kraft kommt, die etwas auf die Beine stellt. Das färbt dann auf mich und das 371 ab. Wir sind ja davon abhängig, das was passiert. Wenn nichts passiert, könnten wir aufhören.

Am Ende frage ich ihn, ob er in zwölf Jahren immer noch das 371 macht. Er lacht. Und nennt es eine erschreckende Vorstellung. „Aber dieses Heft klebt an mir, ich werde es wahrscheinlich eh nicht los. Es ist mein Baby.“

Bericht: Philip Warschkow Foto: Maik Irmscher

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Erschienen im Heft 06/12

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