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Eine Volontärin stellt aus

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Die Kunstsammlungen Chemnitz werfen mit der Ausstellung "Meine Welt ist die Farbe" wohlverdientes Licht auf eine der großen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts: Ida Kerkovius. Kuratiert wird die Ausstellung von der jungen Volontärin Gesa Jürß.

„Ida Kerkovius Werke sind in ihrer Farbigkeit einmalig und die Kunstsammlungen möchten erneut das Interesse für sie wecken.", erzählt Gesa Jürß. „Ihr Oeuvre ist zu Unrecht ein wenig in Vergessenheit und in den Schatten anderer Künstlerinnen geraten, obwohl sie neben Damen wie Paula Modersohn-Becker und Käthe Kollwitz zu den wichtigsten Vertreterinnen der klassischen Moderne gezählt wird.“ Gesa Jürß ist seit 2012 Volontärin bei den Kunstsammlungen Chemnitz. Möglich wurde die Ausstellung durch die Schenkung einer Heidelberger Ärztin sowie die Werke aus dem Fundus des langjährigen Kerkovius-Sammlers Prof. Dr. Kluge. Gezeigt werden zwei große Wandteppiche, vier Gemälde und eine große Anzahl der charakteristischen Pastelle. „Ihr Stil ist nur schwer in klare zeitliche Kategorien einzuordnen. Insbesondere die Pastelle sind sehr farbkräftig und von der Komposition und Malerei her faszinierend und schön". Laut Jürß sind die früheren Werke von Expressionismus und Kubismus geprägt, ab den 1930er Jahren fand aber auch die Abstraktion verstärkt Einzug in ihre Kunst. Jürß muss es wissen: Da zu vielen von Kerkovius´ Werken im Rahmen wissenschaftlicher Forschung noch keine Literatur vorhanden war, hat sie die Texte für den erscheinenden Ausstellungskatalog geschrieben. Daneben war sie als Kuratorin außerdem für die Ausstellungsvorbereitung und Hängung zuständig - also das für die Besucher sichtbare Ergebnis. Hilfe bekam sie dabei von ihrer Abteilungsleiterin. „Da bin ich dankbar, denn das erste Mal ist natürlich eine Herausforderung.“ und zu Recht kann Jürß stolz hinzufügen: „Auch wenn sie nicht riesengroß ist, ist es eine wirklich schöne Kabinettausstellung“.

Die Kunst hat die gebürtige Bremerhavenerin schon immer fasziniert. Sie selbst zeichnete schon lange und wollte eigentlich Illustrationsdesign studieren. „Wie es dann häufig so ist, hat der erste Versuch mit der Mappen-Bewerbung nicht geklappt.“ Als sie Plan B folgte und in Münster und Venedig Kunstgeschichte studierte, fand sie Gefallen am wissenschaftlichen Anteil der Lehre. Praktische Kurse mit Restauratoren und Topographen erhielten auch den Bezug zur Praxis. „Aber ich merke heute, dass die Hand ein wenig aus der Übung ist“. Nach Chemnitz kam die 29-jährige gern. Sie fand es einerseits spannend, eine für sie neue Ecke Deutschlands kennenzulernen, andererseits weil die Kunstsammlungen Chemnitz sowohl eine tolle Sammlung als auch einen guten Ruf haben. Mit der für ein Museum untypisch hohen Zahl von drei Restauratoren wird Jürß die spannende Möglichkeit geboten, sich mit den Kollegen auszutauschen. Die Chemnitzer Kulturszene bietet außerdem viele Chancen für Künstler und Kunstinteressierte: „Man kann in Chemnitz noch sehr viel machen und ausprobieren. Da der Wohnraum in Chemnitz so günstig ist, ist es für Künstler und Galeristen relativ preiswert. In Berlin zum Beispiel kann sich das keiner mehr leisten.“

Auch im Rahmen ihres Engagements im Verein Junge Kunstfreunde Chemnitz kann viel experimentiert werden: Um das Interesse an Kunst bei den jungen Leuten zu wecken, wird gezeigt, was außerhalb der Museen passiert. „Es ist spannend zu sehen, wie Kunst entsteht“, denkt nicht nur Jürß, und deshalb wird viel mit Galerien zusammengearbeitet und Künstler in ihren Ateliers besucht. Ein Highlight ihrer Chemnitzer Tätigkeit war außerdem die vierwöchige „Ausstellung 9“ mit Meisterschülern der Hochschule für Bildende Künste Dresden, bei der junge Kunst gezeigt wurde und die Besucher auf Augenhöhe mit den Künstlern über ihre Werke sprechen konnten. „Weil der Kunstmarkt so voll ist, müssen Künstler heutzutage offen sein und sich vermarkten, solange es noch keine Galeristen hinter ihnen gibt, die sie pushen. Deshalb war mir Freie Kunst zu heikel - mit Kunstgeschichte ist aber trotzdem noch ein Quereinstieg möglich.“

Gesa Jürß glaubt, ihren Traumberuf gefunden zu haben, obwohl es schwierig ist, sich bei 600 Bewerbungen auf eine ausgeschriebene Stelle durchzusetzen. Wenn ihr Volontariat im Juni 2014 endet, ist sie offen für alles und schließt auch den Weg ins Ausland nicht aus. Bis dahin kann in den Kunstsammlungen noch das umfangreiche Repertoire der Künstlerin Ida Kerkovius mit bis dato noch nie öffentlich gezeigten Werken begutachtet werden, die Gesa Jürß in den letzten anderthalb Jahren begleitet haben. „Sie ist ganz Kunst“ sagte auch ihr enger Freund Alexej von Jawlensky, dessen Werke zeitgleich mit der von Kerkovius ausgestellt werden und dem Besucher die einmalige Chance bieten, die Entwicklung zweier befreundeter Künstler nachzuverfolgen und gegenüberzustellen.

02.02. - 27.04. „Meine Welt ist die Farbe“, Malerei von Ida Kerkovius
Kunstsammlungen Chemnitz
Theaterplatz 1
www.kunstsammlungen-chemnitz.de

Text: Vera Jakubeit Foto: Michael Chlebusch


Erschienen im Heft 02/14

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