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Beerdigt – und doch nicht tot

Die Rückkehr der Dipl.Ings

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Obwohl von der Bolognareform gar nicht beabsichtigt, ist der Diplomabschluss im Zuge dieser an den deutschen Universitäten weitgehend abgeschafft worden. Jetzt erlebt der Abschluss eine ungeahnte Renaissance – wenn auch nicht überall.

Die Hochschule Mittweida war wohl die vorerst letzte sächsische Hochschule, die das totgeglaubte Diplom wiederbelebte. Im November verkündete der Dekan der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik Christian Schulz gegenüber der Freien Presse, es werde im Studiengang Elektrotechnik künftig ein abgestuftes Abschlusssystem geben. So könne man nach sechs Semestern Studium einen Bachelor-, nach acht Semestern einen Diplom- und nach zehn Semestern einen Masterabschluss erlangen. Bereits im kommenden Sommer würden 14 Studenten, die sich im Moment im siebten Semester befinden, ihre Diplomarbeit schreiben. Der ebenfalls an der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik angesiedelte Studiengang Multimediatechnik will nach Aussage des Prorektors für Marketing und Internationale Beziehungen Michael Hösel nachziehen. Allerdings sei es bisher nicht geplant, das System flächendeckend an der Hochschule Mittweida einzuführen: „Das Ganze ist ein Alleingang der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik und zudem ein Versuch.“ Dekan Schulz zufolge könne man mit dem Stufensystem im Bolognaprozess bleiben und zeitgleich den weltweit gefragten Titel Diplomingenieur erhalten.[nbsp]

Run auf Diplomstudiengänge in Dresden

Im Detail ist dieses Verfahren in Sachsen einzigartig, in der Sache reiht es sich aber in die Bestrebungen einiger anderer Universitäten ein, dass Diplom wieder oder weiterhin zu verleihen. So zum Beispiel an der Universität Leipzig. In drei Studiengänge mit dem Abschluss Diplom können sich Studienanfänger hier immatrikulieren, darunter beispielsweise in Mathematik. Pressesprecherin Manuela Rutsatz zufolge haben sich zum Wintersemester 2010/11 193 Studenten in die Diplomstudiengänge eingeschrieben, demgegenüber hätten etwa 2.500 Studierende ein Bachelorstudium aufgenommen. An der Technischen Universität Dresden wurde zum Wintersemester 2010/11 sogar in 15 Diplomstudiengänge neuimmatrikuliert.

Insgesamt haben sich laut Pressesprecherin Kim-Astrid Magister 2.000 Studenten für die Aufnahme eines Diplomstudiengangs entschieden, allein knapp 600 davon für Maschinenbau. Für die Einführung der modularisierten und damit Bologna-kompatiblen Diplomstudiengänge war unter anderem der neue Rektor der Universität Hans Müller-Steinhagen verantwortlich. Die Streichung des Abschluss Diplomingenieur, so Steinhagen im Juli gegenüber dem Deutschlandfunk, sei ein großer Fehler: „Damit hätten wir eine Gleichmacherei, die unseren Absolventen eigentlich schaden würde, weil unsere Abschlüsse auch anders sind als vergleichbare Bachelor- oder PhD-Abschlüsse.“ Sachsens Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer (parteilos) begrüßte den Schritt – nicht ohne im gleichen Atemzug darauf hinzuweisen, dass die Studiengänge natürlich trotzdem den Anforderungen des Bolognaprozesses entsprechen, also eine Stufung und Modularisierung enthalten müssten.

Diplom hat schweren Stand an der TU Chemnitz

Was in Leipzig, Dresden und Mittweida funktionierte, scheiterte in Chemnitz: Die hiesige Fakultät für Mathematik versuchte zwei Jahre lang einen modularisierten Diplomstudiengang einzuführen. Der erste Versuch scheiterte dem Prorektor für Lehre und Forschung Albrecht Hummel zufolge an einer fehlenden Stufung, ein zweiter Anlauf schaffte es nicht zur Abstimmung im Senat. In der Folge konnte zum Wintersemester 2010/11 nicht in die Studiengänge Techno- und Wirtschaftsmathematik immatrikuliert werden, nur insgesamt 33 Studenten schrieben sich neu an der Mathe-Fakultät ein. Die Schuld dafür trägt laut Mathe-Fachschaftsratmitglied Christian Jantz die Universitätsleitung, die sich in einer „diktatorische Grundsatzentscheidung“ gegen das Diplommodell ausgesprochen habe. Dabei, so Jantz, sei es der Fakultät nicht mal so sehr um den Namen, sondern um mehr Flexibilität gegangen – die im klassischen Diplom noch gewährleistet gewesen sei. Derzeit wird an einem neuen Entwurf gearbeitet, berichtet Albrecht Hummel. Dieser sehe einen flexiblen Übergang vom Bachelor zum Master vor, konkret soll es beispielweise möglich sein, unter bestimmten Voraussetzungen schon im Bachelorstudium Veranstaltungen aus dem Master zu besuchen. Der Prorektor zeigt sich zuversichtlich, dass der Studiengang zum kommenden Sommersemester angeboten werden könne.

Eine Wiedereinführung des Diplom im klassischen Sinne oder ein 6/8/10-Modell wie in Mittweida ist demnach an der TU Chemnitz ausgeschlossen. Dagegen komme laut Hummel aber eine Äquivalenzbescheinigung wie sie auch die TU9 vertreten infrage. Die TU9 sind ein Zusammenschluss der nach eigenen Aussagen neun führenden technischen Universitäten in Deutschland, darunter neben der TU Berlin und der TU München auch die TU Dresden. In den Grundsätzen der Vereinigung heißt es: „Die TU9 Universitäten fordern, dass sie zu den von ihnen verliehenen akademischen Graden den Zusatz TU hinzufügen können, und sie werden für ihren Mastergrad die Äquivalenz zum Dipl.-Ing. TU bescheinigen.“ Im Klartext: Zwar wird am zweistufigen Bachelor-Master-System nicht gerüttelt, dafür soll aber allen Master-Absolventen bescheinigt werden, dass ihr Abschluss dem eines Diplom-Ingenieurs entspricht.

Master gleich Diplom?

Dieses Vorgehen wird auch an der Technischen Universität Chemnitz begrüßt. Albrecht Hummel zufolge spreche nichts gegen eine „inhaltliche Gleichwertigkeitsfeststellung von Master und Diplom“. Konkret, so erklärt Hummel, könne das so aussehen, dass auf der Abschlussurkunde hinter dem Titel Master das Wort Diplom angefügt wird, alternativ könnte auch eine Fußnote auf die Gleichwertigkeit der Abschlüsse hinweisen. Bisher wurden noch keine derartigen Urkunden ausgehändigt – was dem Prorektor zufolge einen einfachen Grund hat: „Es hat noch keine Fakultät einen Antrag dafür gestellt.“

Mit der nächsten Masterabschlusswelle werde es aber vermutlich die ersten Diplomzusätze geben. Allerdings wohl nur zeitlich begrenzt, etwa zehn Jahre hält Hummel für angemessen. Dann, davon ist er überzeugt, werde sich das Bachelor/Mastersystem auch an allen anderen Universitäten inklusive der in Dresden und Leipzig durchgesetzt haben: „Die Epoche des Diplom ist einfach vorbei.“

erschienen im 371 Stadtmagazin Campus 12/10,
Text: Benjamin Lummer Foto: Hast du den Flow? / photocase.com

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