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Letzte Frage im März

Letzte Frage im März 2019: Herr Kummer weiss Antwort

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Lieber Herr Kummer, ich beobachte einen mich irritierenden Trend: Auf coolen Szenepartys werden immer häufiger Proll-Hits aus den 80er, 90er und von heute gespielt. Musikalischer Mainstream, zu dem vermeintlich „Alternative“ abgehen wie betrunkene Dorfjugendliche. Was soll das?

Oh weh, und es kommt noch schlimmer! Man kann mittlerweile bei einem Gang durch die Straßen unserer Metropolen die Menschen kaum noch einordnen beziehungsweise in die angestammten Schubladen stecken. Ist der junge Mann an der Ampel, gekleidet in einen grellbunten 80er Jahre Ballonseidenzug, ein verwirrter Dorftrottel oder ein trendbewusster Styler? Der Typ mit der Vokuhila Frisur an der Bushaltestelle, ist das DJ-Geyer, die Radiolegende aus Karl-Marx-Stadt, oder der Battlerap-Meister Finch Asozial? Wir sehen ehemals modischen Mainstream und Proll-Optik nun angeeignet von alternativen Avantgarden und urbanen Eliten. Schneejeans und Schnauzbärte immer noch getragen von ewig gestrigen Deppen und Kleiderkammerbedürftigen oder wiederentdeckt und propagiert von Trendsettern - nichts ist unmöglich.

Menschen, die Ordnung in allen Lebensbereichen benötigen, hassen so ein Durcheinander. Die Unordnung fängt im Straßenbild an und setzt sich in den Vergnügungsstätten fort. Wer gediegen sortierte Genre-Musik in einem Club hören möchte kann genau genommen fast nur noch auf House- und Technopartys gehen. Eigentlich eine erstaunliche Entwicklung, waren doch die späten Love-Pararaden oder der Mayday-Massen-Rave in den 90er Jahren die Speerspitze des Kommerz. Abseits der monothematischen Techno-Läden droht aber stets eine Überraschung. Gitarrenfreunde freuen sich über einen Trap- oder HipHop-Titel und Intellektuelle tanzen auch mal zu Marusha oder Scooter. Die Partygäste und die Djs könnten natürlich in einer musikpolizeilich abgesegneten Spezial-Ecke bleiben, aber vielleicht ist das allen Beteiligten zu langweilig geworden: Mod- oder Sixtiespartys mit den altbekannten Titeln und Frisuren, „Alternative“ Abende mit den immer gleichen Gitarrenknallern oder gar Northern-Soul-Veranstaltungen, bei denen die Tanzschritte seit vielen Jahrzehnten festgelegt sind und der Schallplattenunterhalter um Leib und Leben fürchten muss, wenn er keine original 7-Inch-Platten auflegt.

Die gestrengen Gäste solcher Veranstaltungen gehen das Risiko ein, sich in humorbefreite Spießer zu verwandeln, ohne es zu merken. Sie bewegen sich in einer Welt. deren Regeln eisern sind. Normale Partybesucher, die sich auch mal über einen vermeintlichen Mainstream-Titel freuen, gehen immerhin das Risiko ein, dass jemand sie peinlich findet, uninformiert oder dörflich. Sie wollen einfach einen lustigen Abend mit netten Leuten haben. Das bierernste Abstempeln von Chartsmusik als Proll-Hits und als sowieso keineswegs vollwertige Musik, dient in erster Linie dem Plan der Versicherung der eigenen geschmacklichen Großartigkeit. Was aber gibt es Langweiligeres, als Musikexpertenpartys, deren musikalischer Verlauf schon von vornherein in Stein gemeiselt ist. Ein Titel der in den 80er, 90er Jahren oder sogar heute von Prolls gemocht wird kann trotzdem ein cooles Musikstück sein und man sollte ihn auch außerhalb der diskreten heimischen Dusche mitsingen dürfen.

So lieber Leserbriefschreiber, jetzt mach dich doch einfach mal locker und geh tanzen.

Foto:[nbsp]Scheueswaldtier [nbsp]/ pixelio.de

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