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Letzte Frage: September 2011

Herr Kummer gibt Antwort

Veröffentlicht am:

Lieber Herr Kummer, lange habe ich überlegt, ob ich mich an sie mit einer Frage wenden sollte. Mein Bekanntenkreis bestärkte mich in meinem Vorhaben und nun habe ich mich an den Schreibtisch gesetzt und bringe diese Zeilen zu Papier. Eine e-mail hätte ich natürlich auch verfassen können, schließlich bin ich eine bekennende Bewohnerin der Stadt der Moderne und habe kein Problem mit neuen Kommunikationsmöglichkeiten, Computer und schnurloses Telefon gibt es auch in meinem Haushalt. Diese snobistische Manufaktum-Mentalität „es gibt sie noch die guten alten Dinge“ passt sowieso nicht zu unserem Landstrich aber über den antiken Saxoniabrunnen, den der gütige Herr Kellnberger auf dem Johannisplatz hat aufstellen lassen, habe ich mich doch sehr gefreut. Eigentlich ist das gute Stück aber eher eine Stumpf-, Sockel- oder auch Rumpfskulptur.

Fast wäre daraus ein Tassenbrunnen geworden und nun haben wir einen Saxoniabrunnen ohne Saxonia. Vielleicht könnte die alte Brunnenfigur preisgünstig aus Styropor gefräst und dann auf den Sockel geklebt werden, um dem Wasserspeier seine alte Optik zurück zu geben. Man stelle sich doch bitte mal vor, Buntmetalldiebe stehlen den Karl-Marx-Kopf und zurück bleibt auf der Brückenstraße nur noch ein leerer Sockel. Den könnte Herr Kellnberger restaurieren lassen und dann auf dem Rosenhof aufstellen, aber selbst wenn aus dem Würfel Wasser sprudelte, es wäre einfach nicht unser Karl-Marx-Kopf, wie wir ihn kennen und lieben. Auch das Stadtfest verändert sich gewaltig und ich frage mich ob die Bevölkerung der Radikalität des Wandels wirklich gewachsen ist. Der Chemnitzer musste Kommunismus und Wende überstehen und sich vom Festival „Begegnungen“ verabschieden und nun soll es auf dem Stadtfest eine Jugendbühne geben und was das Schlimmste ist, nur auswärtiges Bier ausgeschenkt werden. Bier aus Freiberg! Das ist, als würden wir versteinerte Bäume aus China importieren. Keine Frage, dass schon immer der Export eine Stärke unserer Heimatstadt gewesen ist. Synthetische Waschmittel, Lokomotiven und Maschinen, in neuerer Zeit sogar Musikformationen wurden erfolgreich über den ganzen Globus verschickt. Auch ich möchte im Spätsommer noch verreisen und frage mich nun, ob und wie ich eine gute Botschafterin von Chemnitz in der Welt sein könnte. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich die Stadt wirklich verlassen sollte. Die Islamisten, die in vielen Ländern zu Hause sind, besucht man nur ungern. Christliche Fundamentalisten können aber auch gefährlich werden und was noch verwirrender ist, man kann sie nicht an einem Turban oder langen Bart erkennen. Vielleicht sollte man einfach die friedliche und Sport begeisterte Jugend nach Chemnitz einladen. Immerhin bekommen wir ja demnächst ein tolles funkelnagelneues Fußballstadion. Einheimische Wohltäter und die hiesige Wirtschaft dürfen sich natürlich finanziell engagieren und vielleicht heißt es in Zukunft, CFC Gunzenhauser/Braustolz spielt in der Kellnberger Arena. Ist es vermessen, in diesem Zusammenhang den Traum von Olympischen Spielen zu träumen, frage ich mich?

Ich kann Sie beruhigen. Ihr Traum ist schon lange in der Realität angekommen. Ursprünglich hatte eine Gruppe um Eisstern Kati Witt für Winterspiele gekämpft. Es stellte sich aber heraus, dass nur eine gemeinsame Bewerbung mit Augustusburg Erfolg haben würde. Dort gibt es aber renitente Bauern, die das verhindern wollten. Deshalb verlagern sich nun alle Anstrengungen Richtung Sommerspiele. Erste „Sondierungsgespräche“ mit dem IOC haben ergeben, dass Chemnitz sich berechtige Hoffnungen für 2024 machen kann. Neben kleinen Gastgeschenken begeisterte die IOC-Delegation vor allem das unschlagbare Finanzierungskonzept. In einer Zeit, in der die öffentlichen Haushalte weltweit hoffnungslos überschuldet sind und nicht mal einen Euro- oder Dollarcent übrig haben, um ihn zweimal umdrehen zu können, will Chemnitz Olympia ohne zusätzliche Schulden stemmen. Die geschätzten 4,8 Milliarden Euro Kosten übernimmt nämlich die GGG, die Stadt selbst zahlt zukünftig lediglich eine Miete von jährlich 240 Millionen Euro, die aber ohne Probleme mit den zukünftig steigenden Steuereinnahmen abzudocken sind. Olympia wird also kommen.

Erschienen im 371 Stadtmagazin, Ausgabe 09/11
Foto: complize / photocase.com

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