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Das hätte sich Wild Bill Hickok sicher nicht zu träumen gewagt. Der Revolverheld und Spieler, so will es die Legende, wurde 1876 beim Pokern mit einer Dame, zwei Assen und zwei Achten in der Hand hinterrücks erschossen. Seitdem heißt eine Kombination aus Ass und Acht „dead man's hand“. Heute verliert nur höchstselten jemand beim Pokern sein Leben, außer, na ja, ihr wisst schon: Wenn Blicke töten könnten…
Poker, das alte Cowboyspiel, hat in den letzten vier Jahren eine beispiellose Glückssträhne hinter sich. Kaum eine WG, in der nicht regelmäßig die Karten auf den Tisch gelegt werden. Der Auslöser dieser bemerkenswerten Entwicklung hat einen Namen: Steve Lipscomb. Im März 2003 rief der amerikanische TV-Produzent die World Poker Tour ins Leben, eine hoch dotierte Pokerliga, erschaffen einzig aus dem Grund, Poker im TV-Programm zu etablieren. Was überraschend schnell gelang: Die großen US-Sportsender widmen dem Kartenspiel ganze Sendeflächen, und auch hierzulande werden – via Eurosport, DSF und Das Vierte – praktisch täglich Turniere übertragen. Nicht, dass Fernsehpokern früher unbekannt gewesen wäre. Doch Lipscomb führte eine simple, aber entscheidende Neuerung ein – so genannte Pocket Cameras, mittels derer die Zuseher den Spielern in die Karten sehen können. Weil damit endlich klar wurde, wer blufft und wer nicht, mutierte das einschläfernde Beobachten ausdrucksarmer Pokerfaces schlagartig zum Psychodrama, damit zwangsläufig auch zum Publikumshit und, nicht zu vergessen: zur Reality Show.
Die TV-Präsenz sorgte zunächst für einen Boom der Internet-Pokerportale. Seriöse Quellen schätzen den Umsatz dieser Online-Casinos auf weltweit über 100 Milliarden Dollar, Tendenz rasant steigend. Im Zuge des Monitor-Zockens wurden auch die Karten an den heimischen Spieltischen neu gemischt. Statt Hauen und Stechen ist jetzt Bluffen und Zocken angesagt. Den Reiz daran erklärt uns die 26-jährige Chemnitzerin Kristina wie folgt: „Für mich besteht der Reiz darin, dass man nicht nur mit den eigenen Karten spielt, sondern auch mit denen des Gegners. Das Spiel kann durch verschiedene Spielvarianten sehr komplex sein und verliert seinen Spaß auch nach längerem Spielen nicht. Die Psychologie der Anderen interessiert mich. Gerade, wenn mit Leuten gespielt wird, die man schon lange kennt, muss die eigene Taktik undurchschaubar bleiben.“ Und ihre Freundin und Pokerpartnerin Karin ergänzt, dass gerade das Bluffen einer der Hauptspaßfaktoren am Pokern sei. Tatsächlich können abgebrühte Pokerfaces auch mit schwachen Blättern als Sieger vom Tisch gehen. Genau hier beginnt aber die Grauzone zwischen Strategie- und Glücksspiel. Echte Profis lehnen letzteren Begriff für ihren Broterwerb ab, für sie ist Pokern Können und Taktik. Die deutschen Behörden sehen das anders und erlauben das Spiel um Geld nur in staatlichen Casinos wie dem Atlantis am Chemnitzer Neumarkt. Ganz falsch liegen sie damit nicht, wie uns Rico, 28 Jahre und seit vier Jahren regelmäßig an Pokertischen im Netz oder WG-Küchen zu treffen, bestätigt. Bei einem Royal Straight Flush, also drei Assen und zwei Königen auf der Hand, würde er schon „Haus und Hof setzen“. Er gibt ebenso freimütig das Setzen und Gewinnen von Geld als Spielanreiz an, auch wenn selbst er bisher nie mehr als 25 Euro am Abend gewonnen hat. Aber mit der TV-Präsenz hat das alte Kartenspiel auch neue Legenden geboren. Stars wie Chris Moneymaker, der sich mit 39 Dollar Einsatz online für die Weltmeisterschaft qualifizierte und 2,5 Millionen Dollar gewann, oder Jeff Madsen, seit heuer mit 21 Jahren jüngster Weltmeister aller Zeiten, Phil Ivey oder Jamie Gold, der im letzten Jahr 12 Millionen Dollar gewann, kamen aus dem Nichts - oder zumindest aus den Tiefen des Internets - sahen und siegten. Die aggressiv spielenden Profis, deren Stil von Online-Turnieren geprägt ist, werden bewundert, beneidet und wie Sportikonen verehrt. Genau darin besteht aber auch die Gefahr für Einsteiger, die noch kein Limit kennen. Schnell ist im Rausch des an sich leicht zu lernenden Spiels ein dicker Batzen Kohle weg und damit auch der Spaß am Pokern. Muss nicht sein, und außerdem locken demnächst sicher noch viele neue Turniere. Denn nachdem Pokerboom im privaten Rahmen kommt das Spiel nun in Kneipen und Clubs an. Gleich zwei Turniere gibt es im Februar, am 15. im Esperanto (Zwickauer Str. 222) und tagsdrauf in der Chemnitzer TU-Mensa. Beide Male ist vorheriges Anmelden in jedem Fall ratsam, denn die Veranstalter rechnen mit einem „Full House“. Zu gewinnen gibt hier übrigens ausschließlich Sachpreise, ansonsten wären die Turniere illegal und damit eher was für Leute wie Wild Bill Hickok. Und wo das enden kann, weiß nun jeder, der schon mal eine Dame, zwei Asse und zwei Achten in der Hand gehalten hat.
Turnier im Februar:
15.02. 19.30 Uhr - 1. Chillhouse/Esperanto Poker Cup, Esperanto, Zwickauer Str. 142, www.Esperanto-Network.de Zu gewinnen gibt es für die ersten 3 Plätze Gutscheine für das Chillhouse, das Pauls und[nbsp]für das[nbsp]Esperanto. Startgebühr: 5 Euro. Achtung: Die Plätze sind knapp! Voranmeldung[nbsp]erforderlich.
16.02. 20.00 Uhr - Einsiedler Poker- [&] Skat-Nacht-Campus Chemnitz, Mensaclub TaC, An sieben nagelneuen Pokertischen incl. benötigtem Equipment kann fleißig gepokert werden.
Wer mehr über das Spiel erfahren will, ist seriös bei www.deutscherpokerverein.de aufgehoben.
Erschienen im 371 Stadtmagazin 02/07