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Trotz Gegenwind

Ein Portrait des syrischen Schriftstellers Thaer Ayoub

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Die ersten Minuten des Tages genießt er mit einer frisch gedrehten Zigarette und der Stimme der libanesischen Sängerin Fairouz, nach der er seinen Kater benannt hat. Irgendwann fängt er an zu schreiben. Ein Portrait des syrischen Schriftstellers Thaer Ayoub.

Thaer Ayoub, ein Mann mit zerzausten Haaren und Spuren von getrocknetem Wein auf den Lippen, öffnet die Haustür seiner kleinen Plattenbauwohnung: Geruch von ausgequalmten Zigaretten aus einem überquellenden Aschenbecher entweicht, gestapeltes Geschirr in der Küchenspüle und ein gelegentlich beißender Kater kommen zum Vorschein. Außerdem ein mit Büchern gefülltes Regal – Thaer hat in der syrischen Stadt Aleppo arabische Literatur studiert. Seine Leidenschaft für Worte verpackt der 29-jährige Schriftsteller und Schauspieler in Gedichten.

Normalerweise räumt man fünf Minuten, bevor der Besuch sich angekündigt hat, panisch auf oder stopft alles Herumliegende in den Schrank. Thaer ist anders: Er hat extra nicht aufgeräumt. Denn er möchte nichts vorspielen, was er nicht ist. Außer auf der Bühne, wenn er als Schauspieler des Studententheaters der TU Chemnitz agiert.

2015 immigrierte der Syrer nach Deutschland und lebt seitdem in Chemnitz. Hier fühlt er sich frei, Künstlerisches zu schaffen. In Aleppo haben ihn seine Gedichte ein Jahr Gefängnisaufenthalt und Folter verschafft. Thaer ist aus Syrien geflüchtet. Die Erinnerungen an die Haft, aber auch an seine Heimat Aleppo bleiben. Meist als Notiz auf kleinen Zetteln, die er in Briefumschlägen sammelt und die als Quelle für seine Gedichte zum Einsatz kommen, die er sowohl auf Arabisch als auch auf Deutsch verfasst. Je nachdem in welcher Sprache er einen Text zuerst schreibt, übersetzt er ihn gleich danach in die andere Sprache. Das Schreiben ist für ihn der Raum, in dem er mit sich selbst redet, und das Reden mit sich selbst verhilft ihm zu Erkenntnissen.

Sein erstes Gedicht handelte über Liebe. Da ging es noch nicht um Krieg, Politik und Zerstörung oder um die Ereignisse, die sein Dasein als Geflüchteter und Schriftsteller prägten. Trotzdem verliert der Künstler die Schönheit nicht aus den Augen. Ayoub schreibt immer noch über die Liebe, über Frauen, die Musik oder über seine Mutter. Für jedes Sujet gibt es einen Aktenordner im Schrank. Bevor er sich an seinen Schreibtisch setzt, um zu schreiben, und das Resultat im Ordner landet, lässt er sich – wie er sagt – von den Bildern in seinem Kopf belästigen. Also von der Realität.

Sein neuster Gedichtband Katharina und Aleppo – Ein Kapitel aus dem Lebenslauf eines Liebenden ist online auf eine-art-fabrik.de käuflich, indem er unteranderem über Krieg, Migration und Hoffnung geschrieben hat. „Ein letzter Blick nach der Heimat an den Grenzen beim letzten Weggang“, schreibt er dort. Ein weiteres Buch mit dem Titel Der verdammte Flüchtling ist bereit gedruckt zu werden. Es fehlen ihm allerdings die finanziellen Mittel. Aber „trotz des Gegenwindes im Meer wird das Schiff den Hafen erreichen“, so heißt es zumindest in Katharina und Aleppo. Sein Hafen: das Schreiben.

Text [&] Foto: Katka Schade

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