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Als Einheimischer ist es oft schwer einem Auswärtigen zu schildern, wofür man die eigene Stadt schätzt. Chemnitz hat mit vielen Klischees zu kämpfen, die bei näherer Betrachtung oft nicht zutreffen. Aber wie kann der Blickwinkel auf eine Stadt geändert werden, die im Schatten von Dresden und Leipzig zu oft als graue Industriestadt gesehen wird? Ganz klar, man muss die Leute an Ort und Stelle vom Gegenteil überzeugen.[nbsp]
Als im Mai des vorigen Jahres das Augenmerk der Bauhaus Universität Weimar auf Chemnitz fiel, war für Nadja Hoppe klar, dass sie als Bauhausstudentin und gebürtige Chemnitzerin einiges dazu beitragen kann, um die Sichtweise auf ihre Stadt zu verändern. Der Studiengang Freie Kunst bot den Studenten der Universität an, sich im Rahmen einer Projektarbeit dem Thema Chemnitz zu widmen, sagt Nadja Hoppe. Um dem gemeinschaftlichen Arbeiten einen Namen zu geben, wählten die Studierenden den Arbeitstitel Plus 8. Insgesamt beteiligen sich daran acht Studenten, die aus verschiedenen Fachbereichen der freien Kunst kommen. So vereinigen sich zum Beispiel Fotografie, Malerei und Installation in dem Projekt. Neben zwei Chemnitzern sind unter anderem Berliner, Kölner, Leipziger und sogar ein Wiener involviert. Die Besonderheiten und auch Eigenarten der Stadt den Auswärtigen aufzuzeigen, fiel den einheimischen Künstlern nicht leicht. „Es war am Anfang schwierig den Leuten bewusst zu machen, dass es mehr als den Nischel gibt.“, sagt Nadja. Die Klischees über die Stadt wichen sehr schnell, als die Studentin den Kommilitonen ein Chemnitz zeigte, das fernab von kommunistischer Stadtarchitektur auch noch andere Besonderheiten zu bieten hat.
Um das Arbeiten in der Stadt zu ermöglichen, wurde eigens ein Laden auf dem Brühl angemietet, den Plus 8 ohne finanzielle Unterstützung der Universität bezahlt. Die untere Aktienstraße 10 ist Ausstellungs-, Arbeits- und Diskussionsraum für das Projekt. Ende Januar sollen dort auch die Arbeiten der verschiedenen Künstler ausgestellt werden. „Die Arbeiten sind sehr unterschiedlich im Entwicklungsprozess, da nicht alle Beteiligten den gleichen Bezug zur Stadt finden. Es kann sein, dass am Ende vielleicht nur ein Statement über Chemnitz herauskommt.“ Der Standort am Brühl ist jedoch nicht ohne Grund gewählt worden. Nadja sieht die Gruppe in zwei Lager gespalten. Die eine Hälfte der Studenten arbeite sehr projektnah, die andere versuche – eher abseits vom eigentlichen Thema – sich auch politisch zu engagieren. Deshalb soll der Laden am Brühl nicht abgeschottet von der Öffentlichkeit funktionieren. Bis Ende Februar sollen Diskussionsrunden über die Zukunft des Brühls stattfinden. Für Nadja Hoppe, die sich selbst als politischer Motor der Gruppe sieht, ist die Brühlfrage ein zentrales Thema geworden. Der aktuelle Blick auf die Stadt wirft Fragen auf. Ein Stadtteil, der eine so große Narbe im Gesamtbild der Stadt darstellt, können die Weimarer Studenten nicht unkommentiert lassen. „Es gibt einige, die das Thema sehr interessiert und sich auch dafür engagieren wollen.“ Im Gespräch mit denen, die für den Brühl verantwortlich sind, zeige sich wenig ernsthaftes Interesse, diesen wieder zu beleben, sagt Nadja. Die Gruppe von Plus 8 muss auf drängen des Vermieters GGG ihren Laden leider Ende Februar verlassen, obwohl noch länger Interesse bestände, Eindrücke von dieser Stadt zu sammeln. Man darf gespannt sein wie die Bauhausstudenten ihre Beobachtungen umgesetzt haben - gerade es für den Einheimischen oft schwer zu hören ist, was der Heimatstadt noch fehlt.
Text: Alexander Lörinczy
Bild: Plus 8
Erschienen im 371 Stadtmagazin 01/07