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Apfel vom Topf

Interview mit Gert Kaspar Müntefering

Veröffentlicht am:

Maus-Erfinder Gert Kaspar Müntefering ist eine wahre Legende im Film- und Fernsehgeschäft. 371-Praktikantin Nina Kummer war dementsprechend ein bisschen aufgeregt, hat ihn aber trotzdem ausgefragt und selbst viel dazu gelernt.

Als ich Gert Kaspar Müntefering kennen lerne, befinde ich mich binnen weniger Sekunden in einem Film. Einem Film über die 371 Praktikantin und ihr Interview mit einem beeindruckenden Journalisten und Fernsehredakteur. Die Praktikantin ist nervös, Sie hat das Wissen im Hinterkopf, dass dieser Mann damals im WDR das Kinder- und Kleinkinderprogramm aufbaute, auch der „Vater“ der Sendung mit der Maus genannt wird und an zahlreichen Film und Serienproduktionen beteiligt war.

Herr Müntefering begrüßt mich freundlich und beginnt zu sprechen, ohne, dass ich ihn etwas gefragt hätte. Anekdoten und solche Sachen. Schöne, einfache Geschichten mit bedeutenden Botschaften. Ich bin sofort Fan von diesem Mann.

Er erzählt vom Osten, von einer Knabbertüte die er im Babylon Kino bestellte, und darauf hin auf einen Kieselstein biss. Er erzählt weiter, dass er im Westen auch eine Knabbertüte kaufte und diese dann mit der aus dem Osten verglich. Eigentlich will er nur sagen, dass man auf das, was überraschend und ungeplant kommt, vorbereitet sein sollte. Das beschreibt er einfach so, mittels eines Kieselsteins und einer Knabbertüte.

Er spricht davon, dass auch die Erwachsenen viele Dinge nicht wissen, sie würden einfach ein kluges Gesicht machen, mehr nicht. Aber er unterscheidet sowieso nicht zwischen Erwachsenen und Kindern. Er erzählt, dass er den Satz „Kinder sind unsere Zukunft“ hasse, Kinder seien unsere Gegenwart, und man ginge bei diesem Satz sofort vom Erwachsenwerden der Kinder aus, davon dass sie irgendwann Nutzen bringen.

Jetzt hat er gerade mal fünf Minuten gesprochen. Allein in diesen fünf Minuten gab er Lebensweisheiten von sich, die ich mir sofort tätowieren lassen würde.

Ich komme aus einem Haushalt, in dem nicht viel fern geschaut wurde. Die Maus kannte ich also nie so wirklich. Was habe ich verpasst?

Nichts, wenn Sie in der Zeit Besseres gemacht haben.

Wie haben sie sich als Kind Antworten beschafft?

Ich habe zu Apfelkompott immer Apfel vom Topf gesagt. Und meine Mutter meinte: „Nein die kommen vom Baum.“ Wichtiger sind die Antworten,...

...die einen dann zum Fragen bringen.
Die Protagonisten der Sendung, beispielsweise die Maus oder der Elefant, geben nur seltsame Geräusche von sich. Gab es die Überlegungen ihnen das Sprechen beizubringen?

Nein. Sagt Ihnen Bildsprache etwas? Das reicht. Oder gibt es eine Folge von der Sendung mit der Maus, die Sie nicht verstanden haben?

Die Maus verkörpert eine Art „stumme Moderatorin“. Finden Sie, dass im Fernsehen zu viel gesprochen wird? Oder vielleicht sogar zu viel los ist?

Das ist immer unterschiedlich. Die Frage ist ja vielmehr: Wie kann man Kinder zu dem was man für gutes Programm hält motivieren? Die Maus ist ein Angebot. Wenn man es sieht, ist es gut, wenn nicht, ist es nicht schlimm. Es kommt darauf an, was man sonst in dieser Zeit macht. Wenn man lieber bestimmte Action-Programme sieht, mit explodierenden Autos, dann ist es weitaus schlimmer, wenn im Fernsehen falsch gesprochen wird. Ein bestimmter Leichtsinn muss ja sein. Ich meine, essen Sie immer nur eine Praline? Man isst dann auch fünf, sechs, obwohl man weiß, man sollte es nicht. Aber das tut man ja nicht jeden Tag. Und insofern ist die Frage nicht, ob man zu viel redet, sondern, ob man das Richtige redet und zeigt. Und ob es Methoden gibt, Kinder dazu zubringen das aufzufinden, entweder durch Tradition oder durch interessante Angebote. Ich denke, das haben wir immer gemacht, denn die Maus war auch ein Labor. Da gab es den Käpt´n Blaubär, Janosch, den kleinen Maulwurf, Shaun das Schaf, den kleinen Eisbär. Das waren alles Originalprodukte für die Maus. Die sind nicht gekauft worden, die haben wir hergestellt.

Jung und Alt sieht die Sendung. Achtet man beim Erstellen der Sendung auch auf das ältere Publikum?

Es muss der Effekt vermieden werden, dass ältere Geschwister sagen: „Guck deinen Kinderkram an.“ Die Sendung war von vornherein offen. Zwar haben die auch gesagt: „Die Sendung mit der Maus guck ich nicht.“ Haben sie dann aber doch. Das war etwas, was auch die Sieben-, Achtjährigen noch interessierte, und auch die Väter. Die sagten dann: „Ich wusste nicht wie die Löcher in den Käse kommen.“ Also haben die auch viel erfahren.

Meinen sie, da haben auch Eltern Fragen an die Maus gestellt?

Ja natürlich. Die Eltern waren auch interessiert. Und wir sind nicht unbedingt Kinder, obwohl manchmal ein Durcheinander herrscht, als wären wir welche. Und wer beweist denn mehr, dass er kindisch ist, als diese Erwachsenen mit ihren Quizshows und ihrer seltsamen „Achtung Kamera“. Was ist denn das? Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass das erwachsen ist. Das sind doch Spiele...

Und gibt es Fragen die die Maus nicht beantwortet?

Welche? Also gut, unanständige Fragen vielleicht. Was man im Kinderprogramm sagen kann, haben wir gesagt. Wir haben auch eine Sendung über über Atomkraft gemacht. Und wir haben Geschichten über die Agnes gemacht, ein Mädchen das nur ein sehr kurzes Leben hat und die Maus zu ihrem Geburtstag einladen wollte, aber gestorben ist.

Das stelle ich mir schwierig vor, solche Dinge „kinderfreundlich“ zu zeigen.

Die Sendung mit Agnes war ein elementares, emotionales Erlebnis. Ich bekomme fast noch die Tränen, wenn ich daran denke. Agnes haben wir begleitet, wir wussten ja nicht, wie das ausgeht, mit der Agnes, sie war krank. Sie ist während der Arbeiten gestorben. Wir haben den Film so gemacht, dass der wunderbar war. Mit den Eltern und Freunden. Und es war Kinderprogramm, nach wie vor.

Was halten sie vom heutigen Kinderfernsehprogramm?

Weiß ich nicht, ich schau das nicht an.Wenn sie mich aber grundsätzlich nach dem Fernsehen fragen, habe ich da doch Nachfragen: Welche Kindersendung aus den letzten 10 Jahren hatte für sie Bedeutung? Gibt es irgendetwas, dass sie berührt hat?

Ich denke nach, sehr lang, zu lang, bis ich dann „Jim Knopf“ murmle.

Ja, das ist aber auch schon älter.

Der Abspann des Films, in dem ich mich befinde, beginnt zu laufen und Herr Müntefering spricht noch ein paar wunderbare, irgendwie einfache, aber wichtige Worte.

Manchmal muss man das Kind in sich selbst treten. Sonst wird man nicht erwachsen.

Mit einem Lächeln verlasse ich den Schauplatz.

Gert Münterfering erhielt am 7.10.2015 der Ehrenpreis des Chemnitzer Filmfestivals Schlingel für sein Lebenswerk. Das Interview entstand am folgenden Nachmittag in der Lobby des Hotels Chemnitzer Hof.

Interview: Nina Kummer Foto: Ernesto Uhlmann

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