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Die Stadtbibliothek wird teurer, hat aber immer weniger zu bieten. Warum?
Die Stadtbibliothek - Sie ist nicht nur ein Hort des Wissens, die Insel Utopia eines jeden Bibliophilen, nein, der Musentempel bietet auch eine Oase der Ruhe inmitten der Innerstädtischen Konsumballung. Und doch sorgte eben jenes Haus immer wieder für Unmut und Aufruhr. Dass der Medienetat in den Jahren seit dem Sparpaket EKKO soweit gekürzt wurde, bis Neuanschaffungen fast unmöglich wurden, erreichte die Bibliotheksnutzer nur langsam, vor allem wenn besondere Wünsche und Neuerungen beschafft werden sollten. Auch das Wegfallen des E-Learning-Angebotes störte das Gros der Nutzer nicht. Doch als die Öffnungszeiten der Stadtteilbibliotheken verknappt wurde, zeigte sich deutlich, dass da so einiges im Argen lag.
Die Kürzungen hatten ihren Ursprung zum einen im großen Sparprogramm der Stadt, das auch vor kulturellen Einrichtungen nicht halt machte, und zum anderen in steigenden Kosten durch veränderte Tariflöhne. Für Thomas Lehmann, Stadtrat in der Fraktion der Grünen, ist die Kürzung des Medienetats der falsche Weg: „Schon jetzt ist Chemnitz mit 1,2 Medien pro Einwohner unterversorgt. Tendenz weiter fallend. Der Richtwert liegt bei zwei. Da fragen ich mich, ob wir mit aller Macht die Nutzer der Bibliothek vertreiben wollen“. Die Sparmaßnahmen hält er außerdem für völlig fehlgeleitet, denn dadurch wurden weniger Medien entliehen und auch die Zahl der Nutzer verringert. Auch vonseiten der Bibliotheksnutzer regte sich Widerstand: Eine Petition sollte die Missstände wieder gerade biegen.
Petition bringt Druck
Es sah vielversprechend aus: Bis Mai des letzten Jahres fand die Petition 14.112 Unterstützer im Internet, 11.009 kamen aus Chemnitz. Ziel war es, wenigstens einen Teil der Kürzungen (die bis 2014 immerhin 768.480 Euro betrugen) zurückzunehmen, um auch zukünftig die Handlungsfähigkeit der Einrichtung zu gewährleisten.
Einer der damaligen Initiatoren des Protests ist Curt Bertram. Er ist der Vorstandsvorsitzende des Fördervereins der Stadtbibliothek und macht sich schon seit langem für die Einrichtung stark. „Für mich ist die Stadtbibliothek eine Einrichtung, die der Bildung dient. Und Bildung ist die Ressource unserer Zukunft“, erklärt er. Die Sparmaßnahmen der Stadt seien zwar eine Notwendigkeit , aber die Auswirkungen kaum hinnehmbar. „Einer Stadt wie Chemnitz steht es nicht gut zu Gesicht, dass eine so leistungsfähige und preisgekrönte Stadtbibliothek zu einer Bücherei verkommt“, so Bertram. Nach Abgabe der Petition im vergangenen Jahr gaben alle Fraktionen ihre Zustimmung, den gekürzten Medienetat wieder in den nächsten Haushaltetat zu integrieren. „Ich hoffe, dass die Fraktionen zu ihrer Aussage stehen und Wort halten“, sagt Bertram.
Einer Forderung der Petition wurde schon Folge geleistet. Die verkürzten Öffnungszeiten in den Stadtteilbibliotheken wurden aufgehoben. Allerdings entfällt als Ausgleich in der Zentralbibliothek im Tietz täglich die Besetzung der Infotheken, jeweils zwischen 19 und 20 Uhr. Für Bertram ist das zwar eine Mogelpackung, die deutlich zulasten der Zentralbibliothek geht. Aber ein Anfang sei gemacht worden.
Der Haushaltsbeschluss für das kommende Haushaltsjahr steht in diesem Monat an. Laut Ulf Kallscheidt, Chemnitzer Kulturschaffender und Stadtrat in der Fraktion der SPD, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Petition Folge geleistet und der gekürzte Medienetat in einer Höhe von etwa 50.000 Euro wieder in den Haushalt eingeplant wird.
Kostensenkung durch Umstrukturierung
Um die Gesamtkosten des Hauses zu senken und um eventuell auch grundlegende Konzeptänderungen zu erarbeiten, wurde nun die Umstrukturierung des Hauses, zu dem neben der Bibliothek auch die Volkshochschule und das Naturkundemuseum gehören, beschlossen.
Die öffentlich einsehbare Beschlussvorlage des Stadtrates gab folgende Begründung: „Insbesondere die Kosten für die Verwaltung des Eigenbetriebs liegen weit über den Erwartungen bei der Gründung. Waren für die Verwaltung des TIETZ im Jahr 2005 noch 688 T € notwendig, sind die Kosten für die Zentrale Verwaltung in den letzten 10 Jahren um fast das Doppelte, auf 1,3 Mio. € gestiegen.“ Kurz: Jede der Einrichtungen hat eine eigene Verwaltung und die Angestellten werden immer teurer.
Um die Kosten in der Verwaltung zu mindern, entschied sich der Stadtrat, das Tietz mit all seinen Einrichtungen als Eigenbetrieb aufzulösen und in ein Amt mit einer einheitlichen Verwaltung und Leitung umzuwandeln. Auch die städtische Musikschule, das Kulturbüro (neu: Kulturmanagement) und das Stadtarchiv sollen in dieses Amt eingefasst werden. Der Eigenbetrieb Tietz wird nach Angaben der Stadt Chemnitz zum 30. Juni aufgelöst. Die Bildung des „Amt 41 – Kulturbetrieb“ beginnt am 1. Juli 2015. Momentan wird noch nach einem Leiter gesucht, der das Amt im Sommer übernimmt.
Bis dahin wollen sich die Stadträte noch mit Plänen für das Tietz und die Stadtbibliothek zurückhalten, um der neuen Leitung die Möglichkeit zu geben, in das Amt unvorbelastet hineinzufinden und ein eigenes Konzept zu erarbeiten. „Wir warten bis zum Herbst auf ein vernünftiges Konzept, wie das Haus zukünftig gestaltet werden kann“, erklärt Kallscheidt. Der neue Gestaltungsplan soll dann in den Haushalt des Jahres 2016 eingeplant und mit den entsprechenden Geldern bezuschusst werden.
Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg, ein wichtiger Meilenstein wird jedoch der Haushaltsbeschluss in diesem Monat sein, da dieser die Weichen für die Art des Fortbestandes und der Handlungsfähigkeit der Stadtbibliothek legt. Es bleibt zu hoffen, dass dann auch wieder bibliophile Sonderwünsche im Regal finanziert werden können.
Text: Sarah Hofmann Foto: Michael Chlebusch
Erschienen im Heft 02/15