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Halbe Freiheit

Mesbah Mohammadi bloggt im Asyl

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Mesbah Mohammadi ist Filmemacher, Journalist und Blogger. Im Iran droht ihm Haft, in Chemnitz fand er Zuflucht.

Die Wahrheit kostet mitunter einen hohen Preis. Als 2003 das persische Alphabet Teil des Internets wurde, startete Mesbah Mohammadi seinen ersten Blog. Darin kommentierte er in kurzen Texten politische und gesellschaftliche Debatten im Iran. Sechs Jahre später ist das Netz ein wichtiger Katalysator der so genannten „Grünen Revolution“: Millionen Menschen gehen als Reaktion auf den vermeintlichen Wahlbetrug durch den damaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad auf die Straßen, Hunderte werden bei den Protesten ermordet. „Damals habe ich angefangen, das Bloggen ernsthafter zu betreiben“, erklärt Mesbah. Der damals Anfang Zwanzigjährige beginnt noch intensiver zu recherchieren, kritisiert die Machthabenden öffentlich und kommentiert die engen Verflechtungen des Klerus mit Miliz, Geheimpolizei und Regierung auf Twitter. „Damals sind BBC und andere westliche Medien auf meine Tweets und meine Artikel aufmerksam geworden und haben mich zitiert“, erzählt Mesbah. Kurz darauf wird sein Blog gesperrt. Die Miliz der so genannten Revolutionsgarden steht dem amtierenden Präsidenten nahe und ist eine einflussreiche Wirtschaftsmacht: Ihr gehört die landesweite Telekommunikationsgesellschaft zu 50 Prozent und sie unterhält eine eigene Nachrichtenagentur.

Mesbah wird vom Ausländeramt vorgeladen - als iranischer Staatsbürger. Die Ermittler werfen ihm Landesverrat vor und behaupten, er hätte direkte Verbindungen zu ausländischen Medien. Er wird bedroht und geschlagen. Trotzdem bloggt Mesbah weiter - 2010 wird er zu einer Haftstrafe verurteilt. „Nur aufgrund des Einflusses meines Vaters musste ich nicht ins Gefängnis“, gesteht der Journalist. Wenig später wird gegen Mesbah ein Berufsverbot ausgesprochen - von nun an darf er keine verantwortungsvollen Positionen mehr in den Medien übernehmen. Als 2012 Forderungen laut werden, die Menschenrechtsaktivistin und Anwältin Nasrin Sotudeh aus der politischen Haft zu entlassen, twittert Mesbah mit und hebt ihr Schicksal wieder in die Weltöffentlichkeit. „Religiöse und regierungsnahe Aktivisten haben mich öffentlich und anonym bedroht. Die Situation wurde zunehmend gefährlicher“, berichtet er. Ein Jahr später verlässt Mesbah das Land, nachdem er zwei kritische Kurzfilme veröffentlichte. Seine frisch vermählte Frau Shayhayegh folgte ihm zwei Monate später ins Asyl nach Deutschland.

Über mehrere Monate waren sie getrennt: Er wurde in die Oberpfalz, sie nach Chemnitz verteilt. Mesbah fuhr regelmäßig in die Stadt, manchmal mit einer amtlichen Genehmigung und manchmal ohne. Im April 2014 zog er endgültig zu seiner Frau, mittlerweile haben beide einen Aufenthaltstitel – zumindest vorläufig.

Seit seiner Flucht versucht Mesbah als Asyl-Iraner weiterhin die Menschen in seiner Heimat zu informieren. Da das deutsche Asylrecht die Reisefreiheit stark einschränkt und das ihn in seinen Recherchen behindert, gründete er mit anderen Flüchtlingen das „Asylum Seekers Movement“. Dass er auch in Deutschland zur Untätigkeit gezwungen werden soll, will Mesbah nicht hinnehmen. Mit dem neuen Netzwerk verschaffen er und andere Immigranten sich Gehör – eine Neuheit in der sächsischen Gesellschaft. Seine größte Angst aber bleibt: Die Abschiebung. Dabei steht für ihn fest, dass er nicht in den Iran unter dem gegenwärtigem Regime zurückkehren will. Denn dort ist seit dem neuen Präsidenten laut Mesbah vieles nur noch schlimmer geworden.

Text [&] Foto: Marcus Jänecke

Mesbah Mohammadi erzählt am 11. Februar ab 20 Uhr im Weltecho mehr aus seinem Leben als Journalist, Blogger und Aktivist. Da Mesbah überwiegend persisch spricht, übersetzt ein Sprachmittler seinen Vortrag ins Deutsche. Im Anschluss dazu können Fragen gestellt werden. Die Veranstaltung wird vom Barcamp myblögchen organisiert und moderiert. www.mybloegchen.de


Erschienen im Heft 02/15

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