⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.
Veröffentlicht am:
Es gibt eine Sage über zwei Jünglinge, die sich im Wettstreit um die schönste Frau im Königreich von Queen Elizabeth I. messen wollten. Der Sieger sollte die Maid zur Frau bekommen. Da die Burschen jedoch gleiche Kräfte besaßen, konnte weder im Stockkampf noch im Steinwurf oder Wettlauf der Stärkere ermittelt werden. Da hatte ein Bauer die findige Idee ein Murmelspiel auszutragen, bei dem es immer einen Gewinner gebe. Seitdem, so sagt die Legende, wird sich in Tinsley Green regelmäßig zum Murmeln getroffen.
Direkt vor dem Greyhound-Pub in der Nähe des Londoner Flughafens Gatwick treffen sich zum Karfreitag Teams aus aller Welt, um ihre Geschicklichkeit zu demonstrieren. Es gibt zwar keine schöne Frau zu gewinnen, aber dafür Ruhm, Ehre und eine Palette Bier. Und letzteres steht bekanntermaßen bei vielen Nationen hoch im Kurs. Aber das teure Bier aus West Sussex wird zum Ärger der Englischen Murmelklubs immer öfter ins Erzgebirge übergeführt. Die Krauts vom 1.MC Erzgebirge Neukirchen stehlen ihnen Jahr für Jahr die Show. „Es kommt schon mal vor, dass man ein ‚Fuck you’ oder ‚Asshole’ von Seiten der Engländer zugerufen bekommt. (…) aber wir nehmen das mit Humor“, sagt Chris Pampel, Vorsitzender des Neukirchner Murmelvereins. Auch wenn der Umgangston etwas rauh scheint, ist die Atmosphäre doch sehr gastfreundlich und am Ende des Turniers wird zusammen gefeiert, fügt er umgehend hinzu. Nichtsdestotrotz scheinen die Deutschen eine harte Nuss zu sein. Allein im letzten Jahr wurde der Verein Weltmeister und Vizeweltmeister in Einem. Zustände von denen andere nur träumen können. „ Unser Erfolg liegt sicherlich in unserer perfektionierten Technik, die so genannte Amerikanische Schusstechnik.“, erklärt der mehrfache Einzelweltmeister Chris Pampel. Das Tolley, zu Deutsch Schussball, wird dabei zwischen Mittelfinger und Zeigefinger auf den eingeknickten Daumenknöchel gelegt. Durch das Wegziehen des Daumens erhält die Murmel einen Drall, der dafür sorgt, dass das Tolley in der Nähe der Kugel bleibt, die es gilt von einer 1,83 m großen Steinplatte herunter zu stoßen. Da in der Mitte der Steinplatte insgesamt 49 Murmeln liegen, kann der Spieler mit dieser Technik leicht 10-15 Kugeln nacheinander von der Platte befördern und somit nach 25 vom Spielfeld entfernten Bällen das gesamte Spiel gewinnen, erläutert mir Chris anhand eines Fotos und seiner Weltmeistermurmel. Die Vorbereitungen für die diesjährige Weltmeisterschaft sind im vollen Gange. Jeden Freitag treffe man sich, um die Titelverteidigung vorzubereiten. Dem erneuten Weltmeistertitel stehe eigentlich auch nichts im Wege, sagt der Neukirchner Murmler selbstbewusst. Aber es gibt eine Sorge. Was ist wenn die Amerikaner auftauchen? Chris gibt zu, dass die Mannschaft aus den USA ein nicht zu kalkulierendes Risiko für den Gewinn der Weltmeisterschaften sei. „Wenn man sieht mit welchem Ernst die das betreiben, muss man schon manchmal lächeln. Für uns ist das eher ein Spaß, aber die machen da so was wie einen Leistungsport daraus, mit Iso-Drinks und so.“ Im Land der Übergrößen wird auch eine Super- Size Version mit einer 3m großen Platte gespielt, was eine höhere Präzision erfordere, aber, fügt der 27 Jährige erleichtert hinzu, das nordamerikanische Team taucht in der Regel nur alle 6 Jahre auf. Es melde sich zwar jedes Jahr an, erscheint dann aber zu den Austragungen nicht. Letztmalig spielte sie 2001, also vor sieben Jahren. Naja, hoffentlich sind die Amis mit wählen und Hypotheken abzahlen beschäftigt und die Flugtickets nach Europa teuer. Der Enthusiasmus der Neukirchner ist auf alle Fälle ungebremst. Wir werden Weltmeister!
Erschienen im 371 Stadtmagazin 03/08