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Nina kennt keine Gnade

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Die Lasertag-Halle im Spinnereimaschinenbau ist beeindruckend groß und verwinkelt. Es ist dunkel und die Wände sind mit Neonstreifen beklebt. Das Schwarzlicht erhellt alles in einem eigenartigen Licht.

Ich ziehe mir die mit leuchtenden Stellen geschmückte Lasertagweste über den Kopf und merke, wie mein Ego augenblicklich wächst. Kommt ran Gegnaz, Nina macht euch kalt. Am Schulterbereich, Rücken, Bauch und auch an meiner Waffe sind Trefferzonen. Eine tiefe Stimme zählt ein und alle Teilnehmer des Spiels verstecken sich in der großen Halle. Tief wummernd ertönt Drum and Bass Musik und ich fühle mich wie auf einem Trip, es geht um Leben und Tod. Eigentlich bin ich mit meinen Freunden hier, vergesse sie aber augenblicklich. Ohne Gnade baller ich auf meine eigene Schwester, als sie nichts ahnend um die Ecke kommt. Der Infrarotstrahl meiner Waffe trifft sie direkt in den Bauch. Ich lächele zufrieden, als meine Weste mich motiviert: „Well done“. Meine Schwester blickt mich aus entsetzten Augen an. Ich lache hämisch. So leid es mir tut, aber im ersten Spielmodus heißt es jeder gegen jeden, also komm mir nicht mit Mitleid. Ich laufe weiter durch die verschiedenen Räume, deren Wände mit Aussparungen in Fenstergröße bestückt sind, sodass ich die ganze Zeit nervös hin und her blicke. Hinter jeder Ecke könnte der Feind lauern. Ich schiebe mich in Hockstellung dicht an der Wand entlang durch die Zimmer. Plötzlich trifft mich einer meiner hinterlistigen sogenannten „Freunde“ und meine Weste teilt mir mit, dass ich getroffen bin. Für ein paar Sekunden leuchtet meine Weste nun nicht mehr, ich habe Zeit mich in Sicherheit zu bringen. Sie sagt „Don‘t give up“. Ich schieße wie eine Wahnsinnige durch die Gegend, bis es dann nach 15 Minuten heißt, dass das Spiel vorbei ist. Ich treffe mich mit allen in einem Vorraum zur Auswertung, schaue ein bisschen entschuldigend zu den anderen und bekomme gesagt, dass ich zwar eine gute Treffergenauigkeit habe, dafür aber selbst zu oft getroffen wurde. Wir stehen da, alle total verschwitzt, schnaufend und fordern eine zweite Runde ein, diesmal wollen wir in Teams gegeneinander spielen. Lasertag hat uns alle infiziert.

Ich war nie großer Fan von Ballerspielen und habe auch nie verstanden, wie Menschen so einem Unsinn wertvolle Zeit widmen können, umso erstaunlicher ist es, dass ich beim Besuch im Lasergame Chemnitz Blut geleckt habe und mich seitdem sogar zwischen den Kaufhausregalen dicht an der Wand halte, immer auf der Hut. Wenn ich dann an der Kasse stehe, flüstere ich meinem Vordermann nicht selten „You were hit by Nina“ in den Nacken.

Text: Nina Kummer, Foto: Maik Irmscher


Ecken und Enden: Der schlafende Riese
In zehn (oder mehr) aufeinander folgenden Ausgaben wollen wir 100 Geschichten über Chemnitz erzählen. Dabei richten wir unseren Blick auf Mikroareale, und zwar von den Orten aus, die das 371 sowieso fokussiert: den Orten der Kultur und der Zerstreuung. Teil Fünf: Das Gelände der ehemaligen Spinnereimaschinenfabrik.

Lisa zwischen den Büchern
Der eine schätzt die Freiheiten und den Charme der Brache, der andere erinnert sich gern an schöne Zeiten der Chemnitzer Industriekultur: Timo Stocker und Rainer Schulze sind beide schon lange Zeit mit dem Spinnereimaschinenbau verbunden.

Beate und ein Wandgemälde aus ferner Zeit
Wer einen Nachmittag in der Boulderhalle auf der Altchemnitzer Straße verbringen möchte, schlendert auf dem Weg dorthin unverhofft an einem Wandbild von Will Schestak aus dem Jahr 1959 vorbei. Direkt am Treppenaufgang zum ehemaligen Speisesaal des VEB Spinnereimaschinenbaus prangt groß, in mittlerweile blassen Farben, ein Prachtstück schönster DDR-Auftragskunst.

Zwei Literaten zu Gast in Chemnitz
Für die Arbeit an einem Literaturmagazin* sind wir aus Frankfurt a.M. nach Chemnitz gekommen. Wir wollen Eindrücke sammeln von Spuren eines vergangenen Systems und dem Übergang in die alternativlose Welt des Spätkapitalismus.

Szymmi blickt zurück mit Harald Szymanski
Wie es wirklich war, damals in der Spinnereimaschinenfabrik zu arbeiten und was passierte, wenn es Ketchup im Betriebkonsum gab, hat Szymmi bei Harald Szymanski erfragt.

Michael und das Treffen der Riesen
Sollte man schlafende Riesen wecken? Unbedingt, meint zumindest ein EU-Projekt, innerhalb dessen sich auch das Gelände des Spinnereimaschinenbaus in die Phase des traumbelebten REM-Schlafs begeben soll.

Jan und die Welt der Arbeit
1839 wurde die „Sächsische Maschinenfabrik“ an der Altchemnitzer Straße gegründet. Nach erfolgreichen Jahren als Produzent von Lokomotiven, Werkzeug- und Spinnereimaschinen schlitterte das Unternehmen nach dem 1.Weltkrieg in eine peinliche Pleite. Die stolze Maschinenfabrik wurde zerschlagen.

Szymmi blickt aufs Jetzt mit Klaus Hirsch
Was die Spinnwerk GmbH[&]Co KG mit der Chemnitzer Brache alles vor hat, hat Szymmi im Gespräch mit Geschäftsführer Klaus Hirsch herausgefunden.

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