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Mit hohen Bewerberzahlen zum Wintersemester stellt sich auch in diesem Jahr die Frage nach Sinn und Rechtmäßigkeit von NCs an der Chemnitzer Uni.
Mitte August hielt die Angst in Chemnitz Einzug. Nach Zeitungsberichten, die von einem Ansturm berichteten, musste die hiesige Bevölkerung davon ausgehen, dass binnen eines Monats ein Mob, nein, ein ganzes Heer abgewiesener Studenten randalierend und brandschatzend durch die Innenstadt zieht. 1.070 NC-Studiengplätze, hieß es da, stünden der achtfachen Zahl an Bewerbern gegenüber. Bald würden sie die Uni belagern, bald müssten die Tore der Almer Mater fallen. So, oder die ungewollten Psychologen gehen woandershin und studieren da Germanistik. Muss das sein?
Nein, sagten die Chemnitzer Studierendenvertreter und luden zur NC-Beratung. An einem Tisch mit dicken Büchern sitzt Bernd Hahn vom StuRa und wartet auf Abiturienten oder Bachelor, die zwar gern einen der 17 Zulassungsbeschränkten Studiengänge aufnehmen, aber für nicht gut genug befunden wurden. Oder anders ausgedrückt: als zu viel. Denn das ist der einzige Grund, warum Unis überhaupt NCs führen.
Knappe Mittel
NC, das heißt numerus clausus, also soviel wie abweisende Zahl, und bezieht nicht auf jene auf dem Zeugnis des Bewerbers, sondern auf die Ressourcen in den Kalkulationen der Hochschulverwaltung. Meist ist das jedoch einerlei. Durch eine einfach gezogene Grenze bei Abi- oder Fachnote wird die Reihe der Studienwilligen gekappt und so kommen auf, sagen wir 60 Plätze in der Medienkommunikation eben auch 60 Hintern. Nicht, weil Medienkommunikation ganz krasses Zeug ist und nur die klügsten Köpfe des Landes eine Chance haben überhaupt einigermaßen annehmbare Medienkommunikatoren zu werden, sondern, weil eine Professorin nur soundsoviele Klausuren auf einmal korrigieren kann und für eine weitere natürlich keine Mittel da sind.
Zumindest nicht an der Chemnitzer TU, meint Bernd Hahn, in den Dresdener Landeskassen gebe es die Mittel, aber nicht den Willen. Er habe aber auch das Gefühl, dass man sich an den Unis leider mit der Personalknappheit zu sehr abgefunden hat, statt einmal auf den Tisch zu hauen und zu sagen, so geht es nicht weiter. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht schon 1972 die selbe Meinung: aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit, dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip leitete es ein Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium ab. Damals wurde daraufhin die zentrale Vergabestelle gegründet, die allerdings den Anforderungen dieses Grundrechtes nicht mehr genügt oder überhaupt alle NC-Studiengänge erfasst.
Kommen und gehen
Aber können wir uns wirklich Bildungszugänge für alle zu allem leisten? So eine schöne Welt, wo sich ein angehender Student nicht sagen muss: Ach, für Jura oder Kunst muss ich mich gar nicht erst bewerben, da hab ich keine Chance? Geht das, von einem Semester aufs andere 7.000 Studenten mehr an der TU? Natürlich wären es keine 7.000, denn eben weil es einen NC gibt, melden sich alle Jahre wieder hunderte Studieninteressenten bei mehreren Unis an, um dann irgendwo genommen zu werden. Alle Jahre wieder gibt es dann auch das große Mediendrama, weiß TU-Pressesprecher Mario Steinebach, von dem am Ende gar nicht so viel übrig bleibt. Der NC, so Steinebach stehe jährlich auf dem Prüfstand. Da gibt es Fächer, wo er feste Größe ist, Medienkommunikation und Psychologie beispielsweise, und solche, wo er kommt und geht, wie in der Pädagogik. Fakt ist aber, dass die Studentenzahlen seit Jahren (in Chemnitz moderat) steigen, während der Freistaat Sachsen an den Unis Sparkurs fährt. Eine Abschaffung des NC wird da kompliziert. In kleinem Maßstab gab es die ja vor drei Jahren schonmal, als das Rektorat die meisten NCs fallen ließ und die Uni von Raum- und Personalengpässen überrascht wurde. Die wären aber wahrscheinlich gar nicht mehr so groß, wenn eine solche Abschaffung Deutschlandweit geschähe. Dann, sagt Bernd Hahn, gebe es ein paar Pharmazeuten, Psychologen und Juristen mehr - wo ist das Problem? Stimmt, sinken deren Berufschancen würden sich sicher auch die Einschreibezahlen einpendeln. Diesem realistischen Chancenbild müssen sich andere Studiengänge auch stellen. Etwa in der Philosophischen Fakultät oder den Naturwissenschaften, wo es Trends gibt, die kommen und gehen, je nachdem, wo sich Interessen und Karrierechancen gerade überschneiden. Aktuell sind in der PhilFak beispielsweise die Chemnitzer Europastudien ziemlich erfolgreich, was, so Mario Steinebach, auch an deren Engagement bei der Öffentlichkeitsarbeit – unter anderem mit eigener Homepage – liegen kann.
Wen die Argumente der zulassungsfreien Studiengänge jedoch nicht überzeugen, der kann dieser Tage auf der Couch von Bernd Hahn landen. Der Tipps gibt, wie es eben doch noch mit dem NC-Fach klappen kann. Zum einen könne da recht aussichtsreich die Kapazitätsberechnung angezweifelt werden, die bei der TU seltsamerweise immer runde Platzzahlen ergibt, zum anderen käme eine falsche Einschätzung der Eignung in Frage. Vor allem bei Masterstudiengängen der Wirtschaftswissenschaften helfe Uniwechslern eine detaillierte Überprüfung, die, so mutmaßt Hahn, allein aufgrund des Zeitaufwandes in der Verwaltung kaum erfolgen dürfte. Über die Chancen und Risiken solcher Studienplatzklagen informiert der StuRa auch mit einem dreiseitigen Merkblatt, schätzt sie aber meist ganz gut ein. Bis Ende August nahmen 15 Studenten in spe die Beratung in Anspruch. Über den Verbleib der übrigen 6.985 kann nur gemutmaßt werden.
Text: Michael Chlebusch Foto: André Koch
Erschienen im 371 Stadtmagazin 09/14