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Billiger als Abriss

Freigeist und Freiraum finden zusammen

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Es gibt viel Leerstand in Chemnitz. Sieht man ja. Es gibt viele Stimmen, die sagen, gebt uns Freiraum, wir nutzen ihn. Hört man ja. Dann gab es die Reba, Streit, eine exemplarisch gescheiterte Belebung und niemand wusste, ob Stadt und Immobilien wirklich zu retten sind. Das herauszufinden wagen sich Lars Faßmann und Mandy Knospe in der Augustusburger Straße 102.

Das Haus ist ein Solitär. An seinen Flanken hat man inzwischen abgerissen, was sich auch immer daran klammerte. Jetzt ist dort eine Brache und Platz für noch mehr Wiese am Fuß des leerstandgewöhnten Sonnenbergs. Auch der schicke Backsteineckbau sollte schließlich fallen, bevor sich neue Besitzer fanden. „Die Entscheidung, das Haus zu kaufen, hatte vielschichtige Gründe“, sagt Lars Faßmann. „Zum einen, um zu testen, ob es wirklich funktioniert einfach Freiräume zur Verfügung zu stellen. Zum anderen hat das Haus natürlich auch städtebauliche Qualität.“

So konnte das Gebäude stehen bleiben und mit ihm ein Aufruf zur Nutzung. Kreativen Köpfen wurde (unter anderem im 371 vom Dezember) Mietraum zum Nebenkostenpreis angeboten. Das vierstöckige Haus war innerhalb weniger Wochen bis auf zwei Räume vollständig vermietet. In insgesamt 18 Parteien fanden sich Künstler, Musiker, Architekten, Schauspieler, Fahrradrestauratoren oder Vereine wie der Begehungen e.V.. Die ziehen jetzt nach und nach auf der Augustusburger Straße ein und werfen die Frage auf, woher plötzlich so viele freie und schaffende Chemnitzer kommen. Lars Faßmann findet das verständlich. „Es kann ja schon rein statistisch nicht sein, dass es in einer Stadt mit 250.000 Einwohnern nur 50 aktive Menschen gibt.“ So sehen Lars und Mandy auch die geplanten Galerie- und Veranstaltungsräume im Erdgeschoss nicht als Konkurrenz zu Weltecho, Kombinat und Co., sondern als Ergänzung.

Vielleicht, so hoffen die beiden, hat das Projekt ja Strahlkraft. Auf den Sonnenberg, oder auf ähnliche Immobilien, die auf diese Weise gerettet werden können. Das sei auf jeden Fall billiger als ein Abriss. Damit ist das Haus zumindest rein finanziell natürlich noch kein gutes Geschäft. Selbst wenn sich die Mieter um die Gestaltung ihrer Räume selbst kümmern, musste die Infrastruktur des Gebäudes wieder instand gesetzt werden. Schließlich stand das Haus, das ehemals das Bauamt beherbergte, fünfzehn Jahre leer. Als Investition will Lars das Ganze trotzdem verstanden wissen. Und auch wenn sie sich für ihn nicht sofort auszahlt, für jenen Ort, der nun keine Brache wird, ist das Projekt schon jetzt ein Gewinn.

Text [&] Foto: Michael Chlebusch

Erschienen im 371 Stadtmagazin 04/11

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