⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.
Veröffentlicht am:
Das große Buchhandelssterben und ein totgesagter Stadtteil. Daraus ließe sich so manch guter Anfang für einen tragischen Roman spinnen. Jetzt kommt es am Brühl an der Ecke Georgstraße aber anders.
Prolog
Vor etwa acht Jahren beschließt Mike Neuber in den Internethandel einzusteigen. Bücher scheinen dem ehemaligen CNC-Dreher ein geeignetes Handelsgut zu sein. Zunächst fängt er mit gebrauchten Büchern an, entdeckt aber bald das Segment Restposten und Mängelexemplar für sich. Über den Amazon Marketplace verkauft er seine Titel an Lesesparfüchse im ganzen Land.
Unterdessen träumt der stadtbekannte DJ und Visionär Marco Stahn mit der Beta Bar am Brühl unser aller Traum von einem flippigen Chemnitz. Acht Monate später schließt er den Laden für immer und verlässt kurz darauf die Stadt.
Kapitel eins
Buchhändler Neuber und sein Geschäftspartner Mario Richni sitzen inzwischen in einem kleinen Büro in der Spinnerei. Hier werden nach wie vor Bücher umgeschlagen. Bei Großhändlern laden Verlage ihre Mängelexemplare ab. Dort sichten die beiden die Bestände und entscheiden, ob es sich lohnt, die Titel ins Angebot zu nehmen. Entscheidend seien vor allem die Preise im Internet und der Verkaufsrang. Über 2.000 Titel verzeichnet der Shop „Lesefreak“ bei Amazon zur Zeit, da wurde das Chemnitzer Zwischenlager, von dem aus die Bücher in die Logistikzentren von Amazon übergeben werden, schnell zu klein. Ein größerer Lagerraum musste her. Dabei ergab sich die Idee, dass dieser Lagerraum ja auch an einem Ladengeschäft hängen könnte.
Kapitel zwei
Die GGG hatte da ein Geschäft am Brühl übrig, mit viel Platz wo, sagen wir, mal eine Bühne gestanden haben könnte. Davon wussten die beiden Buchhändler nichts, wunderten sich aber über die drängenden Fragen der Nachbarn. Als die sich nach den Umbauarbeiten erkundigten, konnte man sie beruhigen: hier entsteht keine Bar. Den Ausbau des Ladens übernahmen die neuen Mieter weitgehend selbst. Wände streichen, Regale zimmern - wenn ich hier fertig bin, sagt Mario Richni, baue ich nie wieder ein Regal.
Kapitel drei
Ende September soll der Laden dann fertig werden. Ein Café wird es hier aber trotz anders lautender Gerüchte nicht geben. Nur Bücher aus allen Genres. Gebraucht und als Restposten ohne Preisbindung. Natürlich können neue bestellt werden, die sind über Nacht auch da. Einen Schwerpunkt wollen die Lesefreaks mit ihrer großen Kinderbuchabteilung setzen. Das Geschäft basiert dennoch vor allem auf dem Internethandel und nicht auf Laufkundschaft. Diesbezüglich hoffen sie aber auf die Zukunft des Brühls und wenn die kommt, ist der Buchladen schonmal da.
Text [&] Foto: Michael Chlebusch
Erschienen im 371 Stadtmagazin 09/14