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Chemnitzer Stadionpläne mit Fragezeichen

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Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig will dem CFC eine neues Stadion schenken. Ist das nun gut oder schlecht? 371 beantwortet die Fragen, die aktuell häufigsten an Kneipentischen und in Rathausfluren diskutiert werden.

Braucht Chemnitz ein neues Stadion?
Ja. Nein. Vielleicht. Um Fußball zu spielen, braucht es kein neues Stadion, um die Ware Fußball zeitgemäß zu vermarkten aber auf jeden Fall. Die Fischerwiese ist aus einer Zeit, als es noch um ein Spiel, um Bockwurst und Bier ging. Für derlei Sozialromantik ist im Ligaalltag kein Platz. Der CFC ist finanziell nicht auf Rosen gebettet und braucht neue Einnahmequellen, um die Mechanismen der modernen Fußballs zu bedienen. Dafür ist das Stadion notwendig. Überspitzt formuliert: Der Steuerzahler wird ein Stadion finanzieren, damit in diesem hochbezahlte Fußballer zwischen Werbebanden dem Eintrittzahler eine gute Show liefern.

Was ist gut am Ludwig-Modell?
Der CFC bekommt eine blankpolierte Arena geschenkt. Mit der kann (und muss) er mehr Publikum, mehr Eintrittsgelder und mehr Sponsoren anlocken. Wenn alles gut geht, d.h. die aktuelle, zuverlässige Vereinsführung das Ruder in der Hand behält, werden die zusätzlichen Millionen tatsächlich in die Mannschaft investiert. Ein Aufstieg in die 2. Bundesliga wäre dann durchaus denkbar.

Was ist schlecht am Ludwig-Modell?
Erstens: Ob der CFC auch in 10 oder 20 Jahren noch ein seriös geführter Club ist, kann niemand wissen. Die Liste der Traditionsvereine, die binnen weniger Jahre von seltsamen Personen in den Abgrund manövriert wurden, ist sehr lang. Das Risiko, dass die Stadt ein hypermodernes Stadion für den 500-Zuschauer-Klassiker CFC gegen Budissa Bautzen finanziert, trägt der Steuerzahler allein. Im bisherigen Modell fehlt dem Nutzer CFC also schlicht der Anreiz, etwas zur Finanzierung des Umbaus beizutragen.
Zweitens: Die Frage...

...wo liegen die zwei Millionen Euro, die Barbara Ludwig jedes Jahr an die GGG zahlen will?
Im einem Land der Phantasie. Im Abenteuerland. In einem Land vor unserer Zeit. Keine Ahnung, irgendwo, aber nicht im Chemnitzer Stadtsäckel. Gerade hat das Stadtparlament eine Sparpaket von 45 Millionen Euro aus dem Haushalt gehackt und ganz nebenbei die Mietkosten für Sportvereine erhöht. Die Oberbürgermeisterin aber verweist keck auf zukünftig steigende Steuereinnahmen.

Stimmt es, dass der Stadion-umbau notwendig ist, um die Auflagen des DFB zu erfüllen?
Nein. Zumindest nicht in diesem Umfang. Im Stadionhandbuch der DFL steht: „Stadien der 3. Liga müssen über eine Zuschauerkapazität von mehr als 10.000 Plätzen, davon mindestens 2.000 Sitzplätze verfügen....“ Aktuell hat das Stadion 1050 Sitzplätze, es müssen also noch 950 (für die 2. Liga nochmal 1000 mehr) reingeschraubt werden. Dazu kommen noch weitere Um- und Ausbauten (elektr. Anzeigentafel, verschiedene Aufenthalts- und Betreuungsräume, Rettungswege etc.). Der CFC beziffert gegenüber 371 die dafür notwendigen Mittel mit 1,5 – 2 Millionen Euro.

Kann sich der CFC tatsächlich erst ab der 2. Bundesliga an den Kosten beteiligen?
Nein. Auch in der 3. Liga nimmt der Verein Geld ein und es wird mit der neuen Arena mehr sein als bisher. Dynamo Dresden z.B. zahlte in der 3. Liga trotz dauerhafter Streitereien jährlich 1 Million Euro Miete an die Stadt Dresden.

Warum kann der CFC sein Stadion nicht selbst finanzieren?
Außerhalb Sachsens wurden Stadionneu- bzw. umbauten immer mit erheblichen Zuschüssen der jeweiligen Länder realisiert. Im Freistaat verwehrt sich die Landesregierung dieser Regelung konsequent, was zur Folge hat, dass entweder die Vereine und/oder die Kommunen das Geld allein aufbringen müssen. Da der CFC aber allein kein Stadion finanzieren kann, muss die Stadt Chemnitz ganz oder teilweise einspringen. Vorausgesetzt, der Stadtrat erachtet Profifußball als wichtig für das Zusammenleben in dieser Stadt.

Kann man das auch billiger haben?
Schwer. Aber ein aktuell gern zitiertes Beispiel ist der Umbau der Alten Försterei in Berlin, dem Stadion des 1. FC Union. Dort hat der Verein das äußerst baufällige Stadion selbst und vor allem mit überwältigender Unterstützung der Fans zu einer der schönsten Arenen der 2. Liga umgebaut. Lediglich 600.000 Euro schoss das Land Berlin zu, den Rest der am Ende etwa 15 Millionen Euro Baukosten finanzierte man über Eigenmittel, einen langfristigen Kredit und unentgeltlichen Bauleistungen der Fans, die sich am Ende auf einen Wert von fast 2 Millionen Euro summierten.

Kann man Äpfel mit Birnen vergleichen?
Ja. Spaßeshalber. Nach Barbara Ludwigs Idee soll die Stadt jährlich zwei Millionen Euro aufwenden, wahrscheinlich über einen Zeitraum von 12 Jahren. Im gleichen Zeitraum wird die Stadt, ausgehend vom aktuellen Finanzbedarf, 312 Millionen Euro für die Bezuschussung ihrer Theater aufwenden. Das Theater an der Gellertstraße wäre also deutlich günstiger als die Häuser an Theaterplatz bzw. an der Zieschestraße. Dazu kommt noch, dass die Mimen von der Fischerwiese ein so tolles Programm bieten, dass sie nicht nur ihr Gehalt, sondern sogar die gesamten Betriebskosten für ihre Bühne selbst erwirtschaften würden.

Was könnte man mit 23 Millionen noch machen?
Michael Ballack ist am Ende der nächsten Saison ablösefrei. Der CFC holt seinen verlorenen Sohn zurück, gibt ihm einen 4-Jahres-Vertrag und zahlt ihm selbstverständlich ein ballackeskes Gehalt von 5,75 Millionen pro Jahr. Da Balle aber eh ein dickes Festgeldkonto hat und außerdem mietfrei bei seinen Eltern in Wittgensdorf wohnen könnte, finanziert er von seinem Gehalt einen Stadionneubau. Nach vier Jahren steht dann die Michael Ballack Arena, die der Fussballgott zur Eröffnung feierlich dem CFC schenkt. So bekommt der Club rechtzeitig für die Premieren-Saison in der 1. Bundesliga ein eigenes, schickes Wohnzimmer, um den FC Bayern zu verhauen.

Das Modell Ludwig
Die GGG als städtische Tochter lässt das Stadion für 23 Millionen Euro bauen. Die Stadt bürgt für diese Summe und zahlt nach Fertigstellung jährlich etwa 2 Millionen Euro Miete an die GGG. Wem die Schüssel nach Refinanzierung gehört, also GGG oder Stadt, ist noch nicht klar. Der CFC betreibt dass Stadion, bezahlt aber erst ab der Zugehörigkeit zur 2. Bundesliga Miete dafür. Er kann alle Einnahmen aus dem Stadionbetrieb und der Vermarktung zum Eigenzweck verwenden. Dieses Modell wird aktuell von einer Arbeitsgruppe konkretisiert. Im Oktober soll der Stadtrat darüber abstimmen.

Erschienen im 371 Stadtmagazin 08/11

Aktualisierung: Das Chemnitzer Meinungsforschungsinstitut Chempirica erstellte eine Umfrage zum Stadioneubau. Die Ergebnisse kann man hier nachlesen.

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