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Holiday am Zwiebelbeet

Gardensharing: Gemeinsam Gärtnern

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Der Schrebergarten – gleichermaßen Hort der Spießigkeit und Ort simpler Erholung. Doch was, wenn der elterliche Garten zu weit weg ist und man trotzdem seinen Liegestuhl im eigenen grünen Viereck aufklappen will? Am Ende gar eigene Tomaten im Salat landen sollen? Ganz einfach: Gründe eine Gartengemeinschaft! Gardensharing macht die Gärtnerei auch für junge Leute interessant. Ob das stimmt, findet 371-Redakteur Philip gerade selbst heraus. Hier berichtet er über seine ersten Erfahrungen.

Arbeitseinsatz im Kleingarten. Es ist ein schöner Apriltag. Dennis und ich graben kurzärmlig die Beete, sägen eine Konifere um, reißen Wegegrenzer aus dem Boden. Der Garten hat zu viele Grenzsteine, das ist zu spießig. Nebenan haken Marie und Eileen die Blumenbeete. Um sich nicht zu beschmutzen knien sie auf Matten. Ein bisschen Spießigkeit muss eben doch sein.

Im März entschließen wir, Marie und ich, einen Kleingarten zu übernehmen. Letztes Jahr ernteten wir noch wild, in verlassenen Gärten oder von freistehenden Obstbäumen. Diesmal wollen wir die Sache professioneller angehen. Da wir mit viel Arbeit rechnen, gibt es einen Grundsatz: „Wir übernehmen nur mit Partnern eine Parzelle.“ Die Idee des Gardensharings ist geboren.

„Nicht, dass da bloß Holiday ist.“
Dann geht es schnell: ein, zwei Chats, ein Treffen mit Eileen und Dennis, einige Telefonate mit potentiellen Vereinen und schon stehen wir mitten in einer Kleingartenanlage. Unser Ansprechpartner, frisch gewählter 1. Vorsitzender, von den Vereinsmitgliedern nur „Chef“ genannt, ist ein offener Mittvierziger mit Oberlippenbart, strahlend weißen Turnschuhen und strammem Bäuchlein. Er zeigt uns freie Gärten, die meisten heruntergekommen und verlassen. Wir entscheiden uns für den Gepflegtesten. Unser Vorpächter war Friseur, mit einem offensichtlichen Faible für Tulpen und Erdbeeren. „Ich kenne euren Vorgänger. Der hat mir immer die Haare geschnitten“, teilte uns ein älterer Herr im Vorbeigehen mit. Andere erzählen vom Urlaub in Thailand, von ihren bereits gesteckten Zwiebeln oder wünschen einfach nur viel Spaß bei der Arbeit. Wer nicht für einen kurzen Plausch am Gartenzaun bereit steht, geht mit grimmigem Blick vorbei und grüßt nicht zurück.

„Ich bin ja bemüht junge Menschen in den Verein zu holen. Nicht allen gefällt das“, warnte uns der Vorsitzende bereits vor. In der Sprechstunde erfahre ich warum. Im Kneipenbereich des Vereinsheims läuft Formel 1. Die ersten Biere sind gezapft. Unsere Besprechung findet nebenan im Festsaal statt. Ich frage ob es in ihrem, unserem Verein Gardensharing gibt. „Das gibt es bis jetzt noch nicht, sind wir wahrscheinlich auch nicht interessiert. Weil das dann in Partys und solchen Dingen ausartet.“ Wenn schon junge Menschen, dann sollen sie vernünftig sein und sich für das Gärtnern interessieren. „Nicht, dass da bloß Holiday ist.“ So wollen es nicht nur die Vereinsmitglieder, so will es auch das Kleingartengesetz, wie Joachim Mosch, der Vorsitzende des Stadtverbandes Chemnitz der Kleingärtner e.V., betont: „Bei Kleingärten geht es in erster Linie um die kleingärtnerische Nutzung. Die muss erkennbar sein. Das wurde kürzlich vom Bundesgerichtshof bestätigt.“

Garten mit Gesetzen
In unserem Garten soll es locker zugehen. Deswegen waren wir auch froh, als der Verein uns signalisierte, es bei der Heckenhöhe und der Ein-Drittel-Regel (je ein Drittel Nutz- und Zierpflanzen sowie Erholungsfläche) nicht so genau zu nehmen. Diese sowie unzählige weitere Bebauungsregeln werden von der Stadt jährlich kontrolliert, Verstöße werden mit Pachterhöhung sanktioniert. Und wer unterwirft sich schon gerne freiwillig solchen Vorschriften? „Das ist eben der Punkt an dem es eine Reform geben muss“, sagt auch der Schriftführer der Sprechstunde im Vereinsheim.

„Die Frage ist: Wie wird das Kleingartengesetz in Zukunft sein? Und damit verbunden, ganz wichtig, wie will die Jugend es mal haben?“ Gerade in Gebieten wie Chemnitz, mit jährlich immer mehr freiwerdenden Gärten, bietet sich bald viel Freiraum für junge Ideen. Wir haben Glück, dass sich unsere Ideen schon im Rahmen der Gesetze bewegen. Wir möchten nur frei entscheiden, welches Gemüse wir anbauen und welche Zierpflanzen nicht. Party machen wir woanders. Im Garten machen wir nur Tomaten.

Teilen, sparen, lernen
Doch bis es soweit ist, muss viel gearbeitet und bezahlt werden, denn ein Kleingarten ist nicht billig. Zum jährlichen Grundbetrag kommen Kosten für Werkzeuge, Jungpflanzen, Grillfleisch etc. Dennis sieht „die Kosten- und Arbeitsteilung beim Gardensharing“ als klares Plus. Wer, wie in einer guten Wohngemeinschaft, nicht alles zu genau nimmt, nicht jeden Cent und jede Arbeitsminute aufrechnet, hat in einem geteilten Garten eigentlich nur Vorteile.

Bei uns gibt es Männer fürs Grobe, Frauen fürs Feine, die Kreativen, die Planer und die Macher. Beim Gardensharing „können verschiedene Interessen und Talente einfließen, so dass der Garten vielseitig und ausreichend bewirtschaftet wird“, erklärt Eileen das Konzept. Alleine und in Teilzeit kann ein Garten nicht gepflegt werden. Vor allem nicht ohne Know How. „Die meiste Zeit ging bis jetzt für das Anlesen und Recherchieren drauf“, klärt Dennis auf. Die Erfahreneren umschreiben das am Zaun so: „Keiner ist als Gärtner auf die Welt gekommen.“ Doch mit uns hat die Welt neue Gärtner. Zumindest wenn das Wetter schön ist.

Foto: Michael Chlebusch

Erschienen im 371 Stadtmagazin 05/12

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