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Die magnetisierende Person

Wer war Klaus Hähner-Springmühl?

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Wie wohl kein zweiter Künstler in Karl-Marx-Stadt inspirierte Klaus Hähner-Springmühl in den 80er Jahren die Undergroundszene der Stadt. Nun widmen ihm die Kunstsammlungen Chemnitz eine Ausstellung.

„Er war einfach eine besondere Figur mit einer besonderen Aura, die einfach herausstach. Ein großer in sich ruhender, sanfter Pol, der suchend in die Runde blickte und der andere mitriss, wenn er etwas erzählte“, erinnert sich sein Künstlerkollege Frank Maibier. Für ihn war Hähner-Springmühl ein Punk im positiven Sinne. Die beiden lernen sich 1983/84 kennen. Zu dieser Zeit lebt Hähner-Springmühl in einem leerstehenden Haus auf der Richterstrasse 9, das ihm gleichzeitig als Wohnraum und Atelier dient. Hähner-Springmühl ist aufgrund seiner Mitgliedschaft im Verein für Bildende Künstler von der damals herrschenden Arbeitspflicht befreit. Das erlaubt ihm, sein komplettes Leben auf Kunst umzustellen. Eigentlich war er gelernter Maurer gewesen, später Boxer. Ein Ingenieurstudium in Cottbus bricht er ab. Kontakte zur Dresdner Kunstszene um A.R. Penck werden für ihn Anfang der 1970er zur wesentlichen Inspiration auf dem Weg zum Künstler. 1972 zieht er nach Karl-Marx-Stadt und nach vielen künstlerischen Aktionen, Performances und improvisierten Konzerten hat Hähner-Springmühl 1980 seine erste Einzelausstellung in der Galerie CLARA MOSCH.

Das Karl-Marx-Stadt der 1980er entwickelt sich zum kreativen Hotspot, der von Beteiligten und Beobachtern heute fast mythisch verklärt wird. Aber aller Überhöhung zum Trotz: Zwischen Theaterklub am Bahnhof und der Bierkneipe Marta am Rosenhof, zwischen dem Club der Intelligenz Pablo Neruda und der Galerie Oben entsteht aus dem undogmatischen Zusammenkommen von Intellektuellen, Punkern, Künstlern, Theatermachern und Unangepassten eine freigeistige Atmosphäre, die in der drögen Spät-DDR einmalig war. „Klaus Hähner-Springmühl war zwischen 1985 und 1989 die wesentliche Persönlichkeit in der Karl-Marx-Städter Kunstszene“, ist sich Uwe Kreißig, Zeitzeuge und später Galerist in der Galerie Grounded, heute sicher. „Er beeinflusste Akteure wie Passanten der Szene mit seinen Arbeiten nachhaltig und unnachahmlich. Dies gilt am Ende auch für mich selbst.“

Frank Bretschneider, heute weltweit gefeierter Akteur im Bereich elektronischer Klänge, musiziert damals eine zeitlang mit Hähner-Springmühl, parallel zur Gründung der AG Geige. Noch heute zeigt er sich fasziniert von dessen Persönlichkeit. „Eigentlich ernährte sich Springmühl oft nur von Brötchen mit Schmelzkäse, der Teebeutel wurde dreimal aufgegossen und zum Schlafen reichten ein paar Matratzen, während er in einem Abbruchhaus ohne Einrichtung lebte“. Er erinnert sich neben jenem graphischen Werk mit performativem Charakter, die für ihn weniger reflektierende als eine sehr persönliche Kunst war, vor allem an Hähner-Springmühls Geste der Freiheit, zu der es auch gehörte, einfach Musik zu machen, ohne überhaupt Musiker zu sein. Ein Aspekt, der auch Bretschneiders AG Geige-Kollege Jan Kummer begeistert: „Als junger Mensch war ich total fasziniert von dieser Person, der als vollkommener Autodidakt einfach Kunst machte, seien es übermalte Fotografien oder freie Musikprojekte wie das Saxophontrio Kartoffelschälmaschine mit Frank Raßbach und Gitte Springmühl. Jemand, der sich einfach hinstellt, sich das traut und dem scheinbar völlig egal ist, was andere davon halten. Total beeindruckend.“ Auf diese Art inspiriert Hähner-Springmühl viele. Mit seiner radikalen Zusammenführung von Kunst und Leben und seinen von einer unkonventionellen Herangehensweise geprägten, energieverströmenden und sehr persönlichen Arbeiten öffnet er neue Betrachtungs- und Lebensimpulse jenseits restriktiver Vorgaben.

Doch so sehr der Künstler ein magnetisierender Mittelpunkt jener Zeit in Karl-Marx-Stadt ist, desto ruhiger wird es um ihn nach der Wende. Viele verschiedene Gründe, einhergehend mit gesundheitlichen Problemen, führen dazu, dass Hähner-Springmühls über die Jahre aufgebautes Betriebssystem der Unabhängigkeit und Freiheit nachhaltig gestört wird. Mehr und mehr zieht er sich aus der Kunstszene zurück, 1993 verlässt er die Stadt mit seinem nun auch von Enttäuschungen[nbsp] geprägten Umfeld in Richtung Leipzig. Erst 2005 gibt es wieder eine Ausstellung mit seinen Werken. Uwe Kreissig, der Galerist von damals, schwärmt noch heute: „Klaus hätte nach 1990 unter Umständen das künstlerische Vermögen gehabt, so etwas wie ein ostdeutscher Beuys zu werden.“ Doch es soll seine letzte Einzelausstellung zu Lebzeiten bleiben. 2006 stirbt Klaus Hähner-Springmühl an Herz-Kreislauf-Versagen. Eine Chance, Teile seines Werkes samt deren Wirkung auf andere Künstler und Künstlerinnen wieder oder neu zu entdecken, bieten nun die Kunstsammlungen Chemnitz. Mit einer Hommage ehrt das Haus am Theaterplatz diesen unangepassten Freigeist als das was er war und bleibt: Einer der wichtigsten Künstler, den diese Stadt je hervorgebracht hat.

Text: chezz/Lars Neuenfeld Foto: Uwe Kreissig

„Hommage á Klaus Hähner-Springmühl“, Kunstsammlungen Chemnitz, 11.5. - 29.6.2014
Beteiligte Künstler: Klaus Hähner-Springmühl, Gitte Hähner-Springmühl, Thomas Florschuetz, Michael Freudenberg, Erich Wolfgang Hartzsch, Carsten Nicolai, Olaf Nicolai, Wolfgang Adalbert Scheffler, Joerg Waehner, Karin Wieckhorst

Erschienen im 371 Stadtmagazin 05/14

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