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Kulturelle Wiederbelebungsversuche

Stura der TU Chemnitz verfasst einen Kulturplan

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Das zuletzt verwaiste Kulturreferat des Studentenrates (StuRa) der TU Chemnitz ist wieder besetzt und die neuen Kulturreferenten sind sofort aktiv geworden: ein Kulturplan verspricht regelmäßige Lesungen und Konzerte. Das könnte auch dem Ansehen des gesamten StuRa zu Gute kommen, der hatte zuletzt mit einem angekratzten Image zu kämpfen.

Sucht man nach Unterschieden zwischen dem westdeutschen und dem ostdeutschen Hochschulsystem, so werden diese vor allem bei der Vertretung der Studierenden deutlich. Während im Westen der Republik die angehenden Akademiker zumeist durch ein Studierendenparlament und einen Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) repräsentiert werden, sind Legislative und Exekutive auf dem Gebiet der ehemaligen DDR überwiegend in einem einzigen Gremium vereint: dem Studentenrat.

Der StuRa ist damit ein vergleichsweise mächtiges Organ und: Er ist die einzige Lobby der Studierenden. Einmal jährlich sind die zur Wahl ihrer Fachschaftsräte aufgerufen, aus diesen werden dann – je nach Größe der Fakultät – zwischen sechs und zwei Mitglieder in den Studentenrat entsandt. Laut sächsischem Hochschulgesetz können zudem Vertreter direkt gewählt werden. Der neugewählte StuRa der Technischen Universität Chemnitz zählt derzeit 30 Mitglieder. Inhaltlich gliedert er sich in verschiedene Referate auf, die gleichzeitig den Zuständigkeitsbereich und die Aufgaben dieses Gremiums treffend beschreiben. So ist zum Beispiel das Referat „Verkehr“ für die Verhandlungen über das Semesterticket zuständig, „Hochschulpolitik“ setzt sich mit Rektoren und Ministern über Gesetze und Ordnungen auseinander und „Lehre und Studium“ bietet unter anderem Prüfungsberatungen an. Neu gegründet werden sollen zukünftig eventuell ein Referat für Umwelt, für Antirassistische Arbeit und für Gleichstellung.

Großes Aufgabenspektrum, ramponiertes Ansehen
Es wartet also viel Arbeit auf die neuen StuRa-Mitglieder. Arbeit, die ihnen nicht nur Zeit abverlangt, sondern die auch einer gewissen finanziellen Grundlage bedarf. Pro Semester erhebt der Rat deswegen einen Betrag, der von jedem Studenten mit dem Semesterbeitrag überwiesen wird. Im Sommersemester 2010 wurde er erstmalig seit 1992 angehoben, statt vier werden jetzt sieben Euro fällig. Diesen Anstieg erklärt Studentenrat Marco Unger mit stagnierenden Studierendenzahlen und gewachsenen Aufgaben. Alles in allem stehen dem Gremium damit künftig pro Semester etwa 75.000 Euro zur Verfügung.

Bedeutende Aufgaben, beachtliche finanzielle Mittel und eine nahezu konkurrenzlose Position im Institutionengefüge der Universität – und doch litt der StuRa in den vergangenen Jahren an einem schlechten Image. Die Diskussion um das Semesterticket, Ungereimtheiten bei der Aufstellung von Wahllisten, nicht-beschlussfähige Sitzungen und zuletzt bekannt gewordene Zahlen über angeblich zu hohe Aufwandsentschädigungen, die sich die Studentenräte selbst bewilligten – das Ansehen hatte erheblichen Schaden genommen. Marco Unger erklärt dies mit mangelnder Öffentlichkeitsarbeit, für Neu-Mitglied Eric Stahnke steckt aber auch ein strukturelles Problem dahinter: Ein fehlendes Grundverständnis für demokratische Arbeit lasse die Schere zwischen Erwartungen und Ergebnissen zu weit auseinander klaffen, dem Bologna-Prozess geschuldete Hektik und Durchlaufmentalität habe sich zudem negativ auf jegliches ehrenamtliche Engagement ausgewirkt.


Mehr Konstanz im Kulturreferat
Das Kulturreferat des StuRa ist ein gutes Beispiel dafür. Trotz 5.000 € Finanzmittel, die in der Vergangenheit pro Semester zur Verfügung standen – nach den Referaten Hochschulpolitik und Sport der größte Posten – blieb das Referat im letzten Jahr weitgehend verwaist, vom StuRa organisierte Kulturveranstaltungen hatten eher Seltenheitswert. Die neugewählten StuRa-Mitglieder haben sich diesem Problem nun angenommen und einen Kulturplan entwickelt. Kerngedanke des Kulturplans ist es, Kontinuität in das Referat zu bringen, erklärt einer der Kulturreferenten Eric Stahnke: „Wir wollen einen Rahmen und ein Konzept vorgeben, damit neue Mitglieder das Rad nicht immer neu erfinden müssen.“ Bisher war der Kulturbereich zumeist von einem Kopf abhängig, war dieser studienbedingt oder durch Abwahl nicht mehr da, brach auch häufig das Referat zusammen. Neben Konstanz legt das Referat auch viel Wert auf ein professionelles Niveau, eingeladene Künstler sollen laut Kulturplan eine „gewisse Flächenwirkung“ haben.

Konkret planen die Kulturreferenten eine Konzert- und eine Lesungsreihe. Unter dem Titel „hörbar“ sollen einmal monatlich Live-Konzerte stattfinden, für die erste Veranstaltung ist bereits Apparatschik aus Berlin gebucht. Die Reihe „lesbar“ wird mit einer Lesung mit Markus Hendrix, dem Autor von „Generation Praktikum“, eröffnet, ein musikalisches Rahmenprogramm soll für einen runden Abend sorgen. Zudem ist eine „sichtbar“-Reihe in Planung, der StuRa möchte hier als Kurator für Vernissagen auftreten. Momentan noch Vision ist die Idee, eine Hörspielnacht nach Leipziger Vorbild in Chemnitz zu institutionalisieren.

Für eine generelle Belebung
Die Organisation eigener Veranstaltungen ist bei alledem nur die Hälfte dessen, was die Kulturreferenten als ihre Aufgabe ansehen. Viel Zeit wollen sie zukünftig auch in die Vernetzung Kulturschaffender am Campus investieren. Die Unterstützung studentischer Initiativen und die Etablierung einer festen Anlauf- und Beratungsstelle für all jene, die eine Kulturveranstaltung planen, stehen ganz oben auf der Liste. Das alles soll nicht unbedingt mehr als die bisher zur Verfügung stehenden 5.000 Euro kosten, auch wenn sich Kulturreferent Stahnke durchaus des einzigartigen Vorteils des StuRas bewusst ist: „Wir sind in der vorteilhaften Lage, dass wir uns – in Zeiten wo die Kommunen sparen müssen und es leider Einschnitte bei der Kulturförderung gibt – in Ausnahmefällen ein Minus bei Kulturveranstaltungen leisten können.“

Ein ansprechendes Kulturprogramm und eine solide finanzielle Ausstattung – wird der Studentenrat damit nicht zur Konkurrenz für die Stadt und von ihr organisierte Kulturveranstaltungen? Eric Stahnke möchte das nicht verneinen, man müsse natürlich erst einmal Besucher für die eigenen Veranstaltungen begeistern. Letztendlich strebe der StuRa aber eine Vernetzung mit allen Chemnitzer Clubs und Vereinen an, die im Kulturbereich aktiv sind: „Wir möchten, dass es eine allgemeine Belebung gibt.“

Erschienen im 371 Stadtmagazin 05/10

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