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"Marx ist Pop", sagt Frank Weißbach zur Eröffnung. Er meint Karl Marx als Monument, dem in dieser Museumsnacht eine eigene Veranstaltung im Kombinat an der Palmstraße gewidmet wird. Die Stadt hat wohl irgendwie vergessen, dass ihr Nischel in 2011 40 Jahre alt wird. Stolzer ist die Chefetage auf Rathaus und Uni, deren Festwochen stehen dick im Programm.
Marx macht Stimmung an diesem Abend. Paul Marx als MC, Sänger, Produzent ist in Chemnitz und Sachsen ziemlich erfolgreich und in der Lage, auch die museale Subkultur zum Mithüpfen zu animieren. Auch er ist eine Erscheinung: mit kräftigem Bass in Stimme und Musik überragt er das Publikum mindestens um einen Kopf. Als der eine Marx geboren wurde, stand der andere bereits 20 Jahre auf dem Sockel. Paul Marx repräsentiert eine Generation, die sich den Marx-Kopf unbefangen selbst erschließen darf. Ohne Kundgebungen oder Festwochen der Offiziellen. Der Name Marx und die Stadt Chemnitz, das habe ihm schon manchmal geholfen, in den Medien wahrgenommen zu werden, sagt Paul Marx. Journalisten brauchen Aufhänger. Marx vor Marx. Wunderbar! Paul Marx arbeitete schon für die Stadthalle, für die Community Triff Chemnitz oder die CAWG. Er hat jedoch nicht nur einen Namen, er hat auch Talent und eine klassisch musikalische Ausbildung, mit der er es wohl auch in Berlin oder Hamburg zu Bekanntheit geschafft hätte. Da hin will er erstmal nicht. Gerade produziert er mit seiner Crew ein Album über Städtegrenzen hinaus. Man muss ja heutzutage nicht mehr weg, um woanders zu sein. Das darf gern auch für das Psychologiestdium gelten, das Paul Marx ab Oktober beginnen will – sofern die ZVS Marx und Chemnitz nicht trennt.
Marx abzureißen, fordert jetzt Redner Weißbach. Sinnentleert sei der Nischel zum Zampano für alle verkommen. Doch andernorts, mit strengem, eben monumentalem Blick, wacht Marx, die 40-Tonnen-Plastik darüber, dass man ihn nicht vergisst. Unbemerkt hat sich im Schatten der Riesenbronze ein neues Verständnis vom Nischel in die Stadt geschlichen. Als Fels in der Brandung stiftet er Identität. Fest verankert kann man sich an ihm stützen und stoßen, kann ihn Rappen, Ausstellen, auf T-Shirts drucken, Freunden von Außerhalb zeigen und sogar überlegen, für was Karl Marx philosophisch und politisch steht. Wie sich am Staubkorn Regentropfen bilden, kann der Nischel Gedankennukleus sein. Die Stadt braucht ihn wie viele andere Dinge, die nicht so wichtig, aber einfach da sind, damit in einer Museumsnacht ein kleiner Laden voller Hoch-, Pop- und Subkultur mit einem Marx in der Mitte ins Hüpfen gerät. Ein bisschen Klischeehaft? Das gibt sich bis zum hundertsten.
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Erschienen im 371 Stadtmagazin 06/11