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Die Stadt Chemnitz möchte die Reichenhainer Straße bis 2018 zu einer verkehrsberuhigten Zone machen. Dazu wird die Fraunhoferstraße in Richtung Südring als Alternativstrecke für den Autoverkehr weiter ausgebaut. Die Reichenhainer soll dann „zwischen Turnstraße und Wartburgstraße dem Anlieger-, Fußgänger- und Radverkehr vorbehalten bleiben“, heißt es dazu aus dem Rathaus. Man könnte sogar ein Shared Space-Konzept umsetzen, in dem alle Verkehrsteilnehmer vollkommen gleichberechtigt sind. Ein Vorhaben, das vor allem die TU begrüßt, die bei der „Gestaltung der Fläche vor dem Zentralen Hörsaal- und Seminargebäude für ein offenes und freizügiges Konzept“ plädiert, wie Pressesprecher Mario Steinebach mitteilte.
Das hört sich nach guten Neuigkeiten an. Doch der Weg dorthin beginnt mit einem Gewaltakt: Von den 222 Bäumen zwischen Südbahnhof und Wartburgstraße, größtenteils Platanen, werden 187 gefällt. Das heißt: Die derzeitige Allee wird dem Erdboden gleich gemacht. Denn die Umsetzung der Stufe 2 des Chemnitzer Modells sieht vor allem den Ausbau der Bahntrasse nach Thalheim und die bessere Anbindung des Campus an den Nahverkehr vor. Die Trassenführung auf dem Mittelstreifen wurde am 14. Mai beschlossen, als der Planungs-, Bau- und Umweltausschuss der Stadt dem VMS eine entsprechende Empfehlung aussprach. Zwar sollen neue Bäume gepflanzt werden, diese werden aber nach der geplanten Fertigstellung 2018 frühestens in den 2030ern für Grün auf dem Campus sorgen. Die TU hat „die Entscheidung des Planungs-, Bau- und Umweltausschusses … zur Kenntnis genommen“, zu den geplanten Baumfällungen äußerte sich ihr Pressesprecher nicht.
Seit 100 Jahren besteht die Allee als begehbarer, grüner Mittelstreifen
Dabei ist die Platanenallee stadtweit einzigartig. Seit 100 Jahren besteht ihre Struktur mit dem begehbaren, grünen Mittelstreifen. Für ihren Erhalt setzen sich z.B. das Stadtforum Chemnitz und die Bürgerinitiative Stadtbahn Chemnitz e.V. ein. Mancher Studi wird vielleicht im Juli 2012 die weißen Schleifen bemerkt haben, die um jeden einzelnen Alleebaum gebunden waren bis das Ordnungsamt sie Tags darauf entfernte. Das war mehr eine Trauer- als eine Protestaktion, erklärt Frank Kotzerke vom Stadtforum. Darüber hinaus wurden mehr als 3000 Unterschriften zum Erhalt der Allee gesammelt. Doch der Bürgerwillen blieb ungehört. Dabei gibt es Alternativen zur Abholzaktion.
Eine Variante, bei der immerhin über zwei Drittel der Bäume bleiben könnten, sah die Führung der Bahngleise auf der Mensa-Seite vor und die des übrigen Verkehrs beidseitig auf der anderen. Das bedeutet weniger Platz für Autos, trägt aber zur sowieso geplanten Verkehrsberuhigung bei. Michael Backhaus vom Stadtforum betont, dass diese Variante sogar besser für „Shared Space“ wäre, denn die kleinere Fahrbahn verleite Autofahrer gar nicht erst zum schnell fahren. Man hätte eine schöne Allee mit Promenade in der Mitte und Stadtbahn haben können, die unmittelbar nach Fertigstellung grün ist. Gegenargumente finden sich natürlich immer. Eines davon ist allen Ernstes, dass die Straßenbahn in Chemnitz immer in der Mitte fährt.
Muss eine Straßenbahn immer in der Mitte fahren?
In der Tat ist das Tiefbauamt der Meinung, dass die stadträumliche Wirkung „aufgrund der Asymmetrie nicht wieder herstellbar“ sei. Außerdem böte eine Neuanpflanzung von Bäumen in zwei Jahrzehnten ein besseres Bild. Laut einem Baumgutachten vom Anfang des Jahres ist die Allee aber recht gesund und mit der künftigen Reduzierung des Autoverkehrs könnten die Platanen sich von vorhandenen Schäden durchaus erholen. Stellflächen für Anwohner wären ausreichend geblieben. Entscheidend dürfte der Kostenanstieg der einseitigen Variante um 0,5 Mio. € auf 7,5 Mio € sein. Aber wenn man schon so viel ausgibt, ist denn dann eine halbe Million mehr oder weniger noch erheblich? Vor allem wenn man dafür eine Allee weitgehend erhalten kann, für die sich 3000 Bürger einsetzen?
Gegen den Beschluss seitens der Stadt Chemnitz ist nichts mehr zu machen: Mit der Empfehlung des Ausschusses an den VMS ist „die Phase der Machbarkeitsstudie und des Vorentwurfs abgeschlossen.“ Bis zur Erteilung des Baurechts dauert es aber noch und mit einem Baubeginn ist vor 2016 nicht zu rechnen. Stadtforum und Bürgerinitiative bleiben weiter hartnäckig: „Die Allee wird nicht abgeholzt“, ist sich Eckhard Heumeyer vom Stadtforum sicher. Ziel der Allee-Befürworter ist es, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass der Beschluss des Planungsausschusses vom 14. Mai nicht der Richtige war. Aktionen dazu soll es noch vor der OB-Wahl geben.
www.chemnitzer-modell.de,[nbsp]www.bi-stadtbahn.de,[nbsp]www.stadtforum-chemnitz.de
Text [&] Foto: Nils Martin
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Erschienen im 371 Stadtmagazin 06/13