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Nina und das Verbrechen

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Zwei Männer in Handschellen werden von einer Horde Polizisten in den Gerichtssaal geführt, während sich die Anwältin vom Staatsanwalt noch fix eine Verteilerdose für ihren Laptop geben lässt. Das hier ist ganz anders als im Fernsehen.

Ich sitze in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung im Landgericht auf dem Kaßberg und spiele ein Spiel: „Errate das Verbrechen“. Das heißt, ich habe keinen blassen Schimmer, was die zwei Herren auf der Anklagebank verzapft haben.

Der Schwierigkeitsgrad mit dem ich heute zocke, ist erhöht, denn es ist nicht die erste Verhandlung zum Fall. Keiner erklärt also, was vorgefallen ist. Ich muss es herausfinden, Spiel ist schließlich Spiel. Der Richter spricht sehr leise – der Schwierigkeitsgrad steigt dadurch weiter an.

Zuerst kommt eine Biologin zu Wort, sie erzählt von einer molekulargenetischen Untersuchung und Mischspuren an einer Plastiktüte, einer Gürteltasche, einem Rucksack, einem Motorradhelm... Zwar verstehe ich nur Bahnhof, ziehe aber dennoch erste Schlüsse: Zwei Männer knebelten mittels Gürteltasche eine Geisel und verschleppten sie mit Tüte über dem Kopf auf einem Motorrad. Die Nahrung für den Gefangenen bewahrten sie im Rucksack auf.

Dann geht es um gesicherte Handys und den Inhalt diverser Whatsapp-Chats und Sprachnachrichten. Zeugen werden in den Saal gerufen und Chat-Nachrichten zitiert. „Heute hatte ich Angst, ich geh nie wieder unbewaffnet nach CZ“, schrieb einer der Verdächtigen seiner Lebensgefährtin. Soso, Wiederholungstäter also, und die Freundin steckt mit drin. Ich kombiniere, dass wir es hier mit mehrfachem Verschwinden von Menschen zu tun haben, deren Organe später in der Tschechischen Republik in einem neuen Körper ein neues Heim gefunden haben. Die Zeugen sind vermutlich Mitglieder einer Chemnitzer Stadtteil Bürgerwehr, die die Täter beobachten konnten. Einer der Zeugen präsentiert ein Schnappmesser, das einem der beiden Angeklagten gehört. Plötzlich entpuppen sich die Zeugen als Zollbeamte. Ach, shit. Nach dem Tipp mit der Gürteltasche hätte ich es eigentlich wissen müssen. Es geht natürlich um Drogen, um Crystal Meth. Die Sacktasche war wirklich ein Wink mit dem Zaunspfahl. Ich stelle fest: Mit meinen Vermutungen liege ich total daneben. Es kommt zur Spielauflösung.

Herr F. und Herr H., einer 19, einer 36, wurden am 24.3.2016 auf einem Parkplatz in Johanngeorgenstadt mit 285g Crystal erwischt. Bei sich hatten sie außerdem 2375 Euro Bargeld und ein Klappmesser. Deshalb wird dieser Fall überhaupt im Landesgericht behandelt, denn zur Straftat kommt die Bewaffnung der Täter hinzu. Obendrein ist einer der Männer ohne Führerschein gefahren. Den zwei Männern winkt nun eine saftige Strafe. Mein Spiel trifft auf die gnadenlose Realität.

Text: Nina Kummer Foto: Maik Irmscher


Von Ecken und Enden: An steilen Hängen
Im Spätherbst und Winter krächzen hier tausende Saatkrähen in den Baumwipfeln. Unter deren wachsamen Augen blickten wir uns an der Kaßbergauffahrt um und fanden Geschichten vom KGB, von rätselhaften Verbrechen, hässlichen Maskottchen, einer gehemnisvollen Treppe und einiges mehr.

Michael geht Untertage
In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit. Die besten Geschichten fangen ja mit Löchern im Boden an. So auch die Geschichte um den Chemnitzer Kaßberg.

Alan macht einen SPD-Witz
Die Chemnitzer Basketball-Herren haben ein neues Maskottchen: Karl Marx. Ist das jetzt dämlich, geschmackslos oder echt witzig?

Jan bleibt hart
Wer, außer Björn Höcke vielleicht, braucht denn heutzutage einen Volksfestplatz? Jan sieht auf dem einstigen Hartmann-Werksgelände schon die Autos der Zukunft produziert.

Lars outet eine Treppe
Eine Treppe im Wald. Fast provisorisch scheint sie in den Hang geschlagen. Doch sie erzählt auch eine Geschichte über die Liebe in Zeiten des Sozialismus.

Johannes tauscht
Tauschkreise sind keine neues Phänomen. In Chemnitz ist die neuzeitliche Variante seit über 20 Jahren vereinsmäßig organisiert - und doch droht sie gerade jetzt zu scheitern.

Szymmi schleicht vorbei
Seltsame Tiere, diese Krähen. Sitzen sie dann noch zu tausenden in den Bäumen an den Hängen des Kaßbergs, wird der Gang in die Stadt oder von der Stadt hinauf eine prickelnde Reise durch Mythos und Wissenschaft.

Veronica und der KGB
Dass rund um die Kaßbergauffahrt einst die Stasi residierte, ist weitgehend bekannt. Dass aber auch der KGB hier bis 1990 an den Fäden zog, gerät langsam in Vergessenheit. Veronica hat gerade deshalb nachgeforscht.

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