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Szymmi stöbert in Geschichten

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„(…) vergebens auch habe ich seitdem jenen Blättern nachgeforscht, und ich kann daher um so weniger weder die Wahrheit der Tatsachen verbürgen, als, wenn jemand sie bestreiten wollte, dafür aufstehen; nur so viel kann ich versichern, daß ich sie seit jener Zeit, obgleich sie durch keinen äußeren Anlass in mir aufs neue belebt wurden, niemals aus dem Gedächtnis verloren habe.“[nbsp] (so in etwa der Anfang von Theodor Storms „Der Schimmelreiter“)

„Als ich jung war, hat mich Literatur eigentlich nicht wirklich interessiert (...)“, erzählt Klaus Kowalke, den ich auf ein Gespräch in seiner heimischen Lesestube treffe. Über 4000 Bücher recken uns hier aus deckenhohen Regalen ihre Buchrücken entgegen, ganz so, als ob sie lauschen würden und noch nicht gänzlich zufrieden wären mit den Geschichten, welche sie bereits jetzt schon auf ihren Seiten beherbergen. Es geht ja immer mehr und wann ist eine Geschichte schon wirklich zu Ende? Okay, hier ist Literatur noch lebendig, denke ich mir mit Stift und Papier in der Hand und mahne mich zur Vorsicht. Doch lieber nur einen Kaffee. Und so lehne ich die angebotenen Spirituosen ab, die, auf einer silbernen Schale platziert, verhalten distinguiert zu schmollen scheinen.

An dieser Stelle müsste man wohl erst einmal nachreichen, dass Klaus Kowalke zusammen mit seiner Lebenspartnerin Susanne Meysick wohl eine der schönsten, rein literarisch aufgestellten Buchhandlungen in Chemnitz führt, die „Lessing und Kompanie“ auf der Franz-Mehring-Straße 8. „2007 saßen wir bei einem Freund auf einem Balkon gegenüber und schauten auf ein leeres Ladengeschäft. Da dachten wir uns, warum dort nicht einfach einen Buchladen aufmachen. Gewissermaßen eine Schnapsidee“, erinnert sich[nbsp] Klaus Kowalke. Doch der Anfang war gemacht.

Ein Anfang von vielen. Ein anderer trug die Produktbezeichnung „Nikon F1“: “Als ich jung war, hat mich Literatur eigentlich nicht wirklich interessiert. Auch von der Elternseite kam da eher nichts. Sie kamen aus dem damals klassischen Arbeitermilieu. Doch mit 12 habe ich mir meine erste Kamera gekauft“, schlägt der 1967 in Helmstedt, Niedersachsen, geborene Kowalke einige Kapitel in seinem Leben zurück. Ab diesen Zeitpunkt zumindest waren keine Motive, aber auch kein Museum vor dem Hobbyfotografen mehr sicher. Später, 1987 in Berlin, mit einer Kaufmännischen Ausbildung im Gepäck, arbeitete er als Bildjournalist für deutsche wie amerikanische Presseagenturen.

Doch schon davor hatte ihn letztendlich auch die Literatur noch bekommen. „Es sind eigentlich zwei Bücher, die mich als Jugendlicher faszinierten. Schulliteratur gewissermaßen. Einmal `Der Schimmelreiter´ und anderseits der `Der Idiot´. Da war ich 16 und stürzte mich gewissermaßen auf die klassische Moderne, die Exil-Literatur und Philosophie“, fasst er sein literarisches Erweckungserlebnis zusammen. Doch ein leidenschaftlicher Fotograf und Literaturliebhaber als Immobilienkaufmann im Berlin der 80er Jahre? Kann das gut gehen? Die Kombination hielt nicht lange.

Klaus Kowalke konzentrierte sich dementsprechend auf seine Arbeit als Bildjournalist und beteiligte sich als Regisseur und Produzent von Kurzfilmen und diversen Arbeiten für das Fernsehen. Aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die „Autor Filmproduktion GmbH“ in Hamburg und mit Beginn seines Studiums der Philosophie und Geschichte, erwuchs 1995 die Idee, Zeit und Energie in einen rein literarischen Verlag zu investieren: „Stimmt, 1995 zog ich wieder nach Berlin. Für unsere damalige Hamburger Filmproduktionsfirma lasen wir viele Skripte, von denen wir dachten, dass sie, bevor sie ein Film hätten werden können, besser erst ein Buch gewesen wären. Deshalb gründete ich mit mehreren Personen als Geldgebern den `Kowalke [&] Co. Verlag KG.“ Spezialisiert war der Verlag auf Biografien und die französische Moderne. Doch die gesunde wirtschaftliche Struktur mit mehreren Gesellschaftern bedeutete nach einem schlechten Wintergeschäft 2000 die Liquidation des Verlages auf Beschluss der Mehrheitsgesellschafter.

Schlecht für den Verlag. Schlecht für die Finanzen von Klaus Kowalke, aber gut für Chemnitz könnte man meinen, denn 2002 ließ sich Klaus Kowalke, der mittlerweile als Dozent für Philosophie an der Uni Jena lehrte, endgültig hier nieder.

Doch es sollten noch fünf Jahre ins Land ziehen, in denen Klaus Kowalke seinen Doktor in Philosophie machte und in Chemnitz unter anderem den „Philosophischen Salon“ mit organisierte, bevor jener Tag auf dem Kaßberg zu Ende ging, an dem Klaus Kowalke mit Freunden abends auf ein leeres Ladengeschäft schaute, das jetzt über 10000 Bücher beherbergt. Gefragt, ob ihm der Beruf des Verlegers oder der des Bücherhändlers mehr Freunde macht, antwortet Klaus Kowalke sehr schnell: „Ganz klar der des Bücherhändlers. Als Verleger musste man ein Manuskript wieder und wieder lesen, während ich jetzt jedes Buch lesen kann, das ich lesen will und so oft ich es will.“

Auf der Terrasse vor der mittlerweile mit Preisen honorierten Buchhandlung, stand übrigens zum ersten Mal der Wagen von Emmas Onkel. Aber das wiederum ist eine andere Geschichte.

Text: Szymmi Foto: Maik Irmscher


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