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Lars outet eine Treppe

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Eine Treppe im Wald. Fast provisorisch scheint sie in den Hang geschlagen. War sie mal ein stiller Auf- und Abgang für die Gestapo-, Stasi- und KGB-Agenten, die oben ihr bösartiges Tagwerk vollbrachten? Vielleicht, viel interessanter erschien mir aber die Geschichte, die mir neulich ein schwuler Freund erzählte.

Am unteren Ende der Treppe habe sich bis in die 1980er Jahre hinein ein beliebter Treffpunkt der städtischen Schwulenszene befunden. Die Treppe selbst, so erinnert er sich, habe dabei wie ein Laufsteg gewirkt, auf dem die Mannsbilder ihre Flirtpartner betörten. Ich versuche mehr über diese Treppe herauszufinden und registriere erstaunt, dass Google bei „Chemnitzer Klappe“, so hieß der Treff im Zeitjargon, gleich an zweiter Stelle eine Seite für schwule Sextreffs ausspuckt. Danach folgt aber nichts Konkretes. Also raus ins wahre Leben und echte Menschen befragt. Ich rufe einen alten Bekannten an, der mir die Geschichte bestätigt, aber seinen Namen nicht im Zusammenhang mit der „Klappe“ lesen will. „Da ging es um schnellen Sex im Wald, was denkst du denn.“ Gab es zu Ostzeiten zu wenig geduldete Treffpunkte? „Eigentlich nicht, die Stadt war voll davon. Der „Schlauch“, „Kosmosbar“ und viele mehr. Das waren keine reinen Schwulenkneipen, man wusste aber, dass man hier auf Gleiche traf, zumindest an bestimmten Tagen.“

In Internet finde ich eine alte Webseite, die diese Einschätzung bestätigt. Darin heißt es auch, dass Karl-Marx-Stadt so etwas wie eine schwule Hochburg gewesen sei, vom „Köln des Ostens“ hätte man noch bis weit in die 90er hinein gesprochen. Damals wären viele Schwule aus anderen Städten nach Chemnitz gezogen. In der Nachwendezeit setzte dann ein regelrechter Boom an Schwulenkneipen und -clubs ein. Meine eigene Erinnerung bestätigt das: Als junger Koch zog ich damals oft mit einer Truppe schwuler Kellner durch die nächtliche Kneipenszene. Anfangs wunderte ich mich noch über die Herren, die im Café am Markt (Szenesprech „Café am Arsch“) am Tresen standen und deren Lederhosen ein aufklappbares Gesäßteil besaßen. Bald hat mich das nicht mehr interessiert. Generell, so macht mir meine Erinnerung klar, war das Chemnitzer Nachtleben damals, vor allem bei den Bars, die bis 5 Uhr morgens und länger auf hatten, ziemlich schwul.

Ab Mitte der der Nuller Jahre ebbte der Boom ab, immer mehr Läden schlossen, kaum eine Eröffnung hielt sich langfristig. Heute scheint mir diesbezüglich nicht mehr viel los zu sein. Mein schwuler Freund bestätigt das und meint, dass Webseiten wie gayromeo Treffs wie die „Chemnitzer Klappe“ obsolet gemacht hätten. Außerdem stehe man in der Szene gar nicht mehr so auf diese in sich geschlossenen Gemeinschaften mit den immer selben Gesichtern. „Schwule sind heute eben überall“, sagt er und fügt lachend an „und das ist gut so.“

Text: Lars Neuenfeld Foto: Maik Irmscher


Von Ecken und Enden: An steilen Hängen
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Michael geht Untertage
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Die Chemnitzer Basketball-Herren haben ein neues Maskottchen: Karl Marx. Ist das jetzt dämlich, geschmackslos oder echt witzig?

Jan bleibt hart
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Veronica und der KGB
Dass rund um die Kaßbergauffahrt einst die Stasi residierte, ist weitgehend bekannt. Dass aber auch der KGB hier bis 1990 an den Fäden zog, gerät langsam in Vergessenheit. Veronica hat gerade deshalb nachgeforscht.

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