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Letzte Frage im Juli 2021

Veröffentlicht am:

Lieber Herr Kummer, das 371 sieht neu aus, der Streicher ist ganz anders, meine Lieblingskneipe ist jetzt matttürkis gestrichen, meine Frau echauffiert sich plötzlich über meinen Vollbart und Chemnitz plant einen Radschnellweg. Alles neu und digital und glitzerig. Ich will mich aber gar nicht verändern. Und Sie? Haben Sie sich auch angemalt? Die Wohnung digitalisiert? Einen Donut-Laden eröffnet?

Danke der Nachfrage. Großartig verändert habe ich mich gar nicht. Zugegeben, die Haare sind gewachsen, ich habe mir aus ihnen schulterlange Dreadlocks gedreht und Vollbart habe ich nun auch. Nachdem ich lange das Haus nicht verlassen habe, muss ich mir eine neue Hose kaufen, denn ich bin im Hüftbereich etwas fülliger, man könnte auch sagen, stärker geworden. Kontakt zur Aussenwelt hatte ich in den letzten Monaten eigentlich nur per Videotelefonie. Bei diesen virtuellen Treffen benötigte ich keine Hose. Ich saß bei diesen Besprechungen stets hinter meinem Schreibtisch, legere Oberbekleidung war vollkommen ausreichend. Wie haben sich die Zeiten verändert. Noch 2019 erregte ich in meinem Co-Working-Space große Aufmerksamkeit, als ich dort selbstbewusst den Athleisure-Trend propagierte.

Viele meiner Kollegen reagierten mit Entsetzen: Wie kann man nur Trainingshosen, Leggins und Sneaker im Büro tragen? Egal, das ist Schnee von gestern. Sportswear ist mausetot und mega out, immerhin leben wir jetzt im Jahr 2021. Wenn ich nun also neue Textilien erwerbe, werde ich natürlich nicht in der Vergangenheit wühlen, sondern wieder dem aktuellsten Trend folgen. Athflow ist das neue heiße Ding! Der Begriff beschreibt eine Mixtur aus Athleisure und Eleganz. Hier geht es um lässige, fluffige Kleidung, die aber schick aussieht. Dazu zählen Looks mit weiten Hosen, weiche, fließende Stoffe und Oversize-Teile. Eben alles, was zwar nicht nach Sessel-relaxen und Sofa-chillen aussieht, sich aber so anfühlt. Nach der langen Zeit im Home-Office, in der guten Stube, sehnt sich der Mensch danach, wieder etwas angezogener und weniger egal auszusehen. Gleichzeitig will ich mich aber auch nicht in unbequemer, kneifender Kleidung und übertrieben aufgestylt vor den Laptop oder die Staffelei setzen.

Der Athflow-Trend umfasst deshalb auch Pieces wie Jeans und Basic-Shirts, allerdings nur dann, wenn sie weit und locker sitzen und wir theoretisch darin auch ein paar Pilates-Moves und Yoga-Stretches machen könnten. In diesem Jahr sollten wir versuchen, Eleganz und Lässigkeit ästhetisch miteinander zu verbinden. Lässig aber nicht nachlässig ist das Motto der Stunde! Die neue Fashion und besonders der Erwerb einer neuen Hose erlaubt mir in den nächsten Wochen vorsichtig die Stadt neu zu entdecken. Nach der langen Selbstisolation bin ich gespannt, was sich alles verändert hat. Wenn ich richtig gehört habe, ist Annalena Baerbock die neue Bürgermeisterin von Chemnitz und die Stadt ist von großartigen Rad-Schnellwegen durchzogen. Die fehlende Fernbahn-Anbindung soll jetzt auch bald unrühmliche Geschichte sein. Gerüchte besagen, dass in den nächsten Stunden, höchstens Tagen, unsere Stadt wieder mit der Schienenwelt verbunden sein wird.

Veränderungen gibt es auch in der Medienwelt. Magazine wie „Streicher“ und „371“ kehren zum Papierformat zurück und selbst das früher ausschließlich in der Online-Welt beheimatete „Remarx“ folgt dem globalen Megatrend und erscheint in einer gedruckten Version. Gute alte Dinge, wie Schallplatten, Printprodukte, Kleingärten und Wanderausflüge, erfahren eine ungeahnte Renaissance. Völlig neu hingegen ist die Etablierung eines Donut-Ladens in der Innenstadt. Gern wäre ich, nachdem ich schon den Bubble-Tea-Trend verschlafen habe, auf diese Geschäftsidee gekommen.

Mit Donuts kann man in Chemnitz sein Glück machen, denn der Trend zur Snackification setzt sich ohne Zweifel durch. Statt der großen Mahlzeiten nehmen wir vermehrt Häppchen und Snacks zu uns. Dieser Ernährungsstil ist kein völlig neuer, er breitet sich aber immer weiter aus und bestimmt immer mehr unseren Alltag. Wir sind flexibler, mobiler und das trifft auch auf unser Essverhalten zu. Schon 12 Donuts decken den täglichen Bedarf an Vitaminen, Mineralstoffen und Proteinen, mehr braucht der Mensch nicht. Liebe Leser, sollten wir uns demnächst in der Innenstadt bei einem der vielen Events begegnen, werde ich weiterhin auf einen kernigen Händedruck und eine innige Umarmung verzichten, freue mich aber dennoch aufrichtig auf unser Wiedersehen.

Foto: by_Tim Reckmann_pixelio.de

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