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Vom 6. bis 8. Juni wird das beschauliche Ostseebad Heiligendamm zum Nabel der Welt. Acht Regierungschefs treffen sich zum gemeinsamen Badeurlaub, und nebenbei bestimmen sie über die Zukunft der Erde. Viele wollen das nicht hinnehmen und so erwartet man 100.000 Protestierende. Auch Chemnitzer vom lokalen Aktionbündnis gegen G8 werden dabei sein.
Donnerstag, 24. Mai: Es lärmt, krakelt und scheppert auf dem Chemnitzer Marktplatz. "Verlassen Sie den Platz. Sie sind ein Sicherheitsrisiko!" blafft ein junger Mann mit Pappknüppel einen älteren Passanten an. Der zieht den Kopf ein und huscht an der unwirklichen Szene vorbei. Dabei ist alles nur Show, Theater gegen G8, ausgedacht und inszeniert vom Lokalen Aktionbündnis. Seit gut einem halben Jahr treffen sich Vertreter von 14 Vereinen, Parteien und Initiativen aus Chemnitz, um vor Ort auf den G8-Gipfel aufmerksam zu machen. Einige Filmvorführungen an der Uni, ein Straßenfest und dieses Aktionstheater sind dabei herausgekommen. Der große Wurf ist das nicht, "aber es werden mehr Interessenten" stellt Andreas Unger, einer der Aktivisten, fest. "Wahrscheinlich werden wir mehr als die zwei Busse benötigen, um die Chemnitzer Gipfelgegner nach Heiligendamm zu bringen." Repräsentiert das Bündnis alle Chemnitzer, die gegen den Gipfel protestieren wollen? "Nein. Aber wir repräsentieren sicherlich den Teil, der auf gewaltfreien Protest setzt."
Die Darsteller und Aktivisten am heutigen Nachmittag sind jung, um die 20, viele jünger. Andreas Unger verteilt derweil räudige Faltblätter, einige Innenstadtbesucher erkennen zumindest jetzt den Grund der Aktion. Manche bleiben stehen und äußern Zustimmung. Das Thema Globalisierung macht eben allen Angst und jetzt, wo der G8-Gipfel naht, ist es auch in den Medien wieder ganz vorn. Das heißt, nicht die Inhalte des Gipfels sind präsent, die Sicherheitsdebatte ist das Thema auf allen Kanälen. Fast hat man das Gefühl, dass die Regierungschefs ruhig ihr Ding machen können, die mediale Öffentlichkeit stürzt sich auf das, was vor dem Heiligendammer Zaun ablaufen wird. Ein Demo-Happening zwischen Woodstock und Castor-Transport, und wenn es eine blutige Nase geben sollte, ist eins sicher: RTL hat sie als erste auf dem Kanal. Und danach? "In Chemnitz wird sich das Aktionsbündnis danach noch mindestens zweimal treffen." erklärt Andreas Unger, "Auch eine Filmvorführung ist geplant. ´We Feed the world´, wahrscheinlich wieder in der Uni."
Ob sich der verbündete Protest dann weiter hält, ist fraglich. Doch zumindest einige der dortigen Initiativen bieten schon lange sinnvolle Vorträge und Aktionen zu gesellschaftlichen Alternativen an. Eine davon heißt "Was Tun?!" und ist ebenfalls ein Zusammenschluß verschiedener Umwelt- und Menschenrechtsgruppen. Diese organisieren Vorträge und Workshops an der Chemnitzer Volkshochschule, zeigen spannende Filme und bieten die hochinteressante Stadtführung "Globalisiertes Chemnitz" an. Wer also nach den wilden Tagen an der Ostsee tatsächlich etwas ändern will, hat auch in Chemnitz jederzeit ein Betätigungsfeld. Nur eben ganz ruhig, ohne Lärm und ohne Sicherheitsrisiko.
Text:Lars Neuenfeld
Infos zum lokalen Bündnis gegen G8 unter www.g8-chemnitz.lordis.de
Infos zu "Was Tun?!" unter www.wastun.sf-chemnitz.de
Erschienen im 371 Stadtmagazin 06/07