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Die Lachermacher

Lach- und Sachgeschichten aus Chemnitz

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Chemnitz, die heimliche Hauptstadt der Volksmusik? Dieses fiese Gerücht hält sich seit Jahren, dabei überrunden ganz andere Künstler regelmäßig die Silbereisens dieser Welt. Kurt Krömer, Dieter Nuhr, Kayar Yanar - allein im November blasen diese Top-Comedians zur Zwerchfellattacke. Chemnitz: Die heimliche Hauptstadt des Humors?

Die erste Station, um dem Humor in Chemnitz auf die Spur zu kommen, ist natürlich die Stadthalle. Hier kommen sie alle her, die Großen und Berühmten. Und hierher strömen sie in Scharen, die Chemnitzer. „Nein, ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht“, lacht Dr. Kirstin Antonelli, Bereichsleiterin für Veranstaltungen und damit oberste Lachbeauftragte der Stadt. "aber wir legen Wert darauf, dass die Künstler mit ihrem neuen Programm bei uns auftreten.“ Doch die Stadthalle versucht auch neue Comedians nach Chemnitz zu holen. "Beim Nachwuchs hofft man natürlich immer, dass man ein glückliches Händchen hat." Inzwischen hat die Stadthalle ihr Comedy- und Kabarettangebot ausgebaut. Drei bis vier Veranstaltungen pro Monat sind die Regel. „Vor 10 Jahren war das weniger. Mit der Zeit tauchten aber immer mehr Comedians im Fernsehen auf. Neben Otto Walkes und Dieter Hallervorden sind ja jetzt Leute wie Mario Barth, Dieter Nuhr oder Paul Panzer getreten. Und wer im Fernsehen zu sehen war, ist auch bei uns gefragter“, weiß Dr. Antonelli. Cindy aus Marzahn schien von Chemnitz und der Stadthalle auch gleich so überzeugt gewesen zu sein, dass sie hier ihren Auftritt für RTL aufzeichnen ließ. Neben den Comedians besuchen Chemnitz auch gern Kabarettisten und –innen. „Aber diese Künstler sind nicht so präsent im Fernsehen“, so Dr. Antonelli. „Ich denke, nach der Wende sind den Kabarettisten die Themen weggebrochen und es hat eine Weile gedauert, bis sich wieder etwas aufgebaut hat. Und inzwischen lachen Ossis und Wessis über die selben Themen.“
Dass zwischenzeitliche Themenvakuum können die Urgesteine Andreas Zweigler und Gerd Ulbricht vom Chemnitzer Kabarett allerdings nicht bestätigen. „Aus der Sicht des kleinen Mannes gibt und gab es immer große Dinge, gegen die man protestieren kann“, ist sich Andreas Zweigler sicher. Und dass die Chemnitzer das ebenso sehen, beweisen die ca. 40.000 Zuschauer im Jahr im Kabarettkeller unter der Markthalle. „Das höchste Lob, das man hier zu hören bekommt, ist ‚War gar net so schlecht", amüsiert sich der Kabarettist. Doch ist es nicht eher die ältere Generation, die politisch anspruchsvolles Kabarett der leichteren Unterhaltung Comedy vorzieht? „Wir haben inzwischen auch einen guten Anteil junges Publikum. Das liegt aber vielleicht daran, dass wir die Grenzen zwischen Comedy und Kabarett verwischen. Wir wollen weg von den bierernsten Aufführungen, die man nur versteht, wenn man vorher den Spiegel gelesen hat.“ Und so gibt es inzwischen auch Stücke, die das ursprüngliche Comedy-Thema „Mann und Frau“ verarbeiten, wie man es vielleicht von „Caveman“ oder Mario Barth kennt.
Andreas Zweigler ist übrigens auch nicht ganz unschuldig am vielleicht erfolgreichsten Lachklub der Stadt. Als Gründer und Hausautor sorgt er im Fresstheater für bodenständigen Humor made in Chemnitz. Die Erfolgsgeschichte dieses Haus klingt wie ein Märchen in Zeiten klammer Theaterkassen. Aus einem ABM-Projekt entwickelte sich hier ein Theater mit 15 Festangestellten, das mittlerweile ohne Fördermittel auskommt. Die Idee: Mundarttheater im doppelten Sinne. Während man gemütlich ein deftiges Drei-Gänge-Menü genießt, bieten die Schauspieler herzhaften Spaß auf Sächsisch. Das Konzept kommt bestens an, schließlich ist das Fresstheater auf Monate hinaus ausgebucht.
Aber längst nicht alle Humorschaffenden können nachts vor Lachen nicht mehr einschlafen: Comedy-Veranstalter Michael Richter vergeht es sogar hin und wieder. Er organisiert seit vielen Jahren Veranstaltungen, zur Zeit im Comedy Club Del Sol und im Brauclub. Er erklärt, dass „Chemnitz sicherlich nicht die ultimative Comedy-Stadt ist“. Schwierigkeiten hat er dabei weniger die Comedians zu überzeugen, hierher zukommen, sondern eher das Publikum. „Es ist schwer, neue Künstler zu etablieren. Da gehen die Leute schon lieber in die Stadthalle zu den berühmten Acts. Nach dem Motto ‚Was da läuft, muss gut sein‘. Für mich ist Comedy aber auch das Clubleben. Erst durch die Bar und eine übersichtliche Anzahl von Gästen kommt das gewisse Feeling auf.“ Und das wissen auch die Künstler zu schätzen. So konnte Michael Richter schon Ausbilder Schmidt, Wladimir Kaminer oder Olaf Schubert hierher holen. Sein besonderes Augenmerk gilt aber Neuentdeckungen wie Murat Topal oder Jundula Deubel. Sie sind noch keine großen Fernsehstars, doch wer weiß...

Bei dieser Angebotfülle an Comedy und Kabarett in Chemnitz gibt es jedoch eine Zuschauergruppe, die von Michael Richter, Dr. Antonelli und den beiden Kabarettisten eher selten gesehen wird: die Studenten. Führt Studienstress etwa zu Humorlosigkeit? Zwei Männer gibt es, die mehr über die eigentümlichen Angewohnheiten der Studierenden wissen: „Zärtlichkeiten mit Freunden“. Stefan Schramm und Christoph Walther aus Riesa starteten ihr Musikkasparett vor ein paar Jahren selbst als Studenten. „Unsere Anfänge waren unter anderem hier in Chemnitz, besonders im Studentenumfeld. Und da die Studenten und ihre Clubs untereinander gut vernetzt sind, hatten wir immer ein freundliches, aufgeschlossenes und junges Publikum.“Also doch keine Lachmuskelschwäche im Uniumfeld. Auch die MehrTUerer, das Chemnitzer Studentenkabarett, können sich nicht beklagen. „Wir sind eigentlich immer gut besucht. Besonders Studenten sind ja für kritische Satire offen“, erklärt Claudia Emmer. „In Leipzig zum Beispiel wären wir vielleicht nie auf die Idee gekommen, ein Kabarett zu gründen“, erklärt sie. „Aber hier kann man noch viel ausprobieren. Und wir erhalten von allen Seiten Unterstützung.“ Deshalb kann man sich schon mal auf Januar 2009 freuen. Dann nämlich präsentieren die MehrTUerer ihr neues Programm.
Wer nun behauptet, in Chemnitz hätte man nichts zu lachen, der hat sich nur noch nicht richtig umgeschaut. Der Riesaer Stefan Schramm hat sogar eine Vermutung, warum die Chemnitzer eine derartige Spaßgesellschaft sind. "Das liegt vielleicht daran, dass Chemnitz das Tor zum Erzgebirge ist. Und da ist ja bekanntlich der Humor Zuhause.“ Hmmm, ob der das jetzt ernst meint?

Text: Kathy Eichholz, Lars Neuenfeld Fotos: Kathy Eichholz, Peter Zschage, Steffen Rinka

Erschienen im 371 Stadtmagazin 11/08

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