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Zukunftsgedanken sind oft negativ und aktuellen Studien zufolge wird besonders die junge Generation immer pessimistischer.
„Da ist es besonders wichtig, einen positiven Gegenpol zu erzeugen.“ erklärt Alexander Ihle, Teilnehmer der Zukunftswerkstatt „Landwende“. Neben ihm haben sich auch 28 weitere Menschen ein ähnliches Ziel gesetzt.
Im Rahmen eines Workshops der Leopoldina in Halle haben sich 29 Menschen zwischen 18 und 27 Jahren unter anderem aus den Disziplinen Biodiversität, Klima, Ernährung, Ethik, Ökonomie und Politik zusammengefunden und ihre unterschiedlichen Perspektiven in einer 5 tägigen Diskussion und Entwicklung eines idealen Landkreises 2070 eingebracht.
Ziel aller war es, ein positives Szenario zu erstellen, in dem das Trilemma aus Naturschutz, Biodiversität und Nahrungssicherheit in Einklang gebracht wird. „Das große Problem ist, dass wir in Deutschland begrenztes Land aber viele verschiedene Ansprüche haben. Der Klimaerwärmung soll durch den Bau von Solarparks entgegengewirkt werden, während der Naturschutz unsere Biodiversität erhält. Aber auch Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Heutzutage gehen ungefähr 3/4 der Getreideproduktion in Deutschland alleine für die Tierhaltung drauf, obwohl wir bewusster mit unseren Ressourcen umgehen müssten.
Unter dem ganzheitlichen Ansatz, bei dem nachhaltiges Wirtschaften und sozial gerechtes Zusammenleben hinterfragt werden, reichen die Ideen von lokaler und regionaler Wertschöpfung, über nachhaltige Kreislaufwirtschaft, Land- und Waldwirtschaft bis hin zu lebenswerten Wohnraum, Inklusion, Mobilität, Gleichberechtigung und Partizipation.
Unter dem Titel Zukunftswerkstatt „Landwende“ - Wie wollen wir leben?, sind ein Film und eine Graphic Novel entstanden, die die Probleme, Ziele und Lösungsansätze visualisieren. Außerdem hat sich das Kollektiv „Landwende“ gebildet, das zukünftig Lesungen und Diskussionsrunden veranstaltet und weiterhin an Ideen und Zukunftsszenarien arbeitet. Der Film, die Graphic Novel sowie weitere Informationen zur Zukunftswerkstatt finden ihr online unter: leopoldina.org
Unser utopisches Chemnitz 2070
Es ist ein sonniger und warmer Juni-Morgen, durch meine 4 Tage Woche habe ich heute frei. Um mein Kind in die Kooperationsschule in der Innenstadt zu bringen, nehme ich den Bus 117. Einer von vielen Verkehrsmitteln der CVAG, die mit Ökostrom betrieben werden. Da alle Haltestellen, auch auf dem Dach, begrünt sind, ist auch das Warten nicht schlimm, wenn man sich überall an der Natur erfreuen kann.
Während der Busfahrt kommen wir am ehemaligen Heizkraftwerk Chemnitz-Nord vorbei, wo vor einigen Jahren ein Solarpark erbaut wurde, der den gesamten Landkreis mit erneuerbarer Energie versorgt. An vergangene Zeiten erinnern nur noch die Esse, die als Wahrzeichen erhalten wurde, und die Schafe als alternative Rasenmäher Wolle für lokale Textilunternehmen.
Ich nehme mir das 371 Wissenschaftsmagazin zur Hand und erfahre, dass der Feldhamster nicht mehr vom Aussterben bedroht ist und sich auch das Insekten-Ökosystem wieder um 200% erholt hat, nachdem bundesweit der Anbau von Getreide-Monokulturen gestoppt und ein Blühwiesenbestand von 30% pro Feld eingeführt wurde.
In der Schule helfen wir bei der Gemüseernte zum Mittagessen, das gemeinsam mit Senioren der benachbarten Begegnungsstätte zubereitet wird. Die angelegten Beete des Chemnitzer Saatgutgarten e.V. ermöglichen allen Schulen im Landkreis, Kinder frühzeitig mit einem Verständnis für lokale Selbstversorgung und Naturschutz zu erziehen.
Am Nachmittag hole ich mein Kind vom Hort ab und wir gehen noch auf den Spielplatz am Schlossteich, ein Ort der zu Lieblingsveranstaltungsort und blühender Wohlfühloase wurde. Das Highlight ist und bleibt aber die Süßwasser Delphinfamilie, mit denen man immer am ersten Montag im Monat schwimmen darf. Darüber hinaus ist es wohl der zentralste Ort der Stadt, an dem ein buntes Miteinander stattfindet, fernab von Herkunft, Einkommen und Sexualität. Ich beobachte zwei Männer, die Hand in Hand laufen und sich küssen. Es macht mich sehr glücklich zu sehen, dass das im Jahr 2070 niemanden mehr stört. Die Aufklärungsarbeit in den vergangenen Jahrzehnten hat vollen Erfolg gezeigt und ich erfahre, dass meine aus Syrien stammenden Freunde eine neue Wohnung bezogen haben, ohne durch ihren Nachnamen ausgegrenzt zu werden. Auch aus vielen anderen Bereichen konnte Diskriminierung aller Art verbannt werden. Beim anschließenden Salsa-Abend am Brunnen, neben der Stadthalle ist die Stimmung ausgelassen und keiner fühlt sich unsicher, sodass ich danach auch wieder alleine auf den Kaßberg laufen kann. Von Erzählungen weiß ich, dass das früher gefährlich war und sich Frauen am Abend verfolgt fühlten. Durch den Nachtbürgermeister erfuhr die Sicherheit und Mobilität bei Nacht einen bemerkenswerten Fortschritt.
Ich komme zuhause an, lege mich ins Bett und bin sehr froh und dankbar, dass ich in einer Gesellschaft leben darf, die in allerletzter Sekunde verstanden hat, dass sie nicht so weitermachen darf und kann.
Text: Paula Thomsen / Bild: Zukunftswerkstatt "Landwende"